Full text: Das Mittelalter (Theil 2)

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Nun blühete neue Hoffnung und neue Begeisterung im Heere der 
Kreuzfahrer auf; mau vergaß alle vergaugeueu und künftigen Leiden, der 
Muthlose bekam neuen Muth, der Schwache frische Kraft; einer ermunterte 
den andern zum Kampfe. Es ward ein großer Ausfall unternommen und 
der herrlichste Sieg errungen. Korboga mit seinem unermeßlichen Heere 
wurde glänzend geschlagen und floh über den Euphrat zurück. Die Burg 
Autiochia ergab sich den Siegern, aber nun entstand Streit über den Besitz 
der Stadt. Gottfried, seinem Eide getreu, stimmte für den Kaiser Alexius, 
aber Boömund, als erster Ersteiger der Thürme, sprach sie für sich selber 
au. Er erhielt sie endlich als Fürst von Autiochia. 
3. Die Eroberung von Jerusalem, den 15. Juli 1099. 
1. 
Drei Jahre waren schon verflossen, seitdem die Kreuzfahrer zur Be¬ 
freiung des heiligen Grabes aufgebrochen waren, und noch war das Ziel 
nicht erreicht. Krankheiten und Seuchen, die noch viele Tausende hinrafften, 
die unaufhörlichen Anfälle der Türken und das ungewohnte Klima hatten 
die Reihen des Kreuzheeres sehr gelichtet. Dazu kam der Zwist der ein¬ 
zelnen Anführer. Noch in der Nähe von Jerusalem hatte Graf Raimund 
durch die Belagerung von Akka und Tripolis, aus welchen Städten er 
sich ein neues Fürstenthum zu bilden gedachte, die Kreuzfahrer aufgehalten. 
Aber je näher dem Ziele der Reise, desto ungeduldiger wurde das Heer, 
und die Mehrzahl der Kreuzfürsten fand es rathsam, diese Ungeduld zu 
befriedigen. Die Eroberung von Akka wurde aufgegeben, mit dem Emir 
von Tripolis ein Vergleich geschlossen, und rasch ging es dann auf der 
Straße zwischen dem Libanon und dem Meere westwärts gegen Jerusalem. 
Vor Sidon, Tyrus und Akre zogen die Kreuzfahrer, ohne sich auf¬ 
zuhalten, vorüber; die Eroberung dieser Städte ward für gelegenere Zeiten 
aufgespart. Zu Cäsarea feierten sie das Pfingstfest (29. Mai 1099) und 
am Abend des 5. Juni erreichten sie Nikopolis, vormals Emmaus genannt. 
Jetzt waren sie kaum eine halbe Tagereise von Jerusalem entfernt und nur 
die Nacht und das vorliegende Gebirge entzogen ihnen den ersehnten Anblick. 
Drückend langsam schien ihnen diese Nacht hinzuschleichen; schmerzhaft war 
ihnen jeder Verzug. Um Mitternacht kamen von Bethlehem Gesandte der 
Christen im Lager an und baten um Schutz gegen die Angriffe und 
Drohungen der Türken. Herzog Gottfried gewährte diese Bitte. Hundert 
auserlesene Ritter wurden unter Taukred's Anführung nach Bethlehem 
gesandt, wo sie, von ihren christlichen Brüdern freudig empfangen, die 
Geburtsstätte des Heilandes mit Jubelliedern begrüßten. Als aber die 
Uebrigen von der Absendung dieser Schaar hörten, wurde ihr Verlangen 
nach den heiligen Orden immer ungestümer. Ungeheißen brachen mehrere 
von ihnen auf, streiften bis vor die Mauern von Jerusalem und erbeuteten 
einiges Vieh. Dabei geriethen sie in große Gefahr, aus der sie jedoch
	        
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