Die verschiedenen Staatsformen 
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durch leidenschaftliche Parteikämpfe erschüttert wird, wie die gesamte 
Staatsverwaltung unter dem häufigen Wechsel oft zufälliger Mehr¬ 
heiten leidet, wie ferner die gerade herrschende Partei nicht selten 
kein Mittel scheut, um ihre Herrschaft zu erhalten und zum Vorteil 
ihrer Angehörigen auszunutzen, und wie endlich Bestechlichkeit bis trt 
die höchsten Staatsstellen hinauf ihren zerstörenden Einfluß übt.. Ge¬ 
wiß sind auch die Monarchien von Schattenseiten nicht frei, wie es 
ja überhaupt völlig ideale Staatsgebilde auf unserer Erde nicht gibt; 
aber doch läßt eine unbefangene und gerechte Würdigung erkennen, 
daß diejenigen konstitutionellen Monarchien unserer Zeit, an deren 
Spitze Fürsten stehen, welche von dem Gefühl der Verantwortlichkeit 
durchdrungen sind und den berechtigten Forderungen der Zeit Rech¬ 
nung tragen, im Gegensatz zu der oft sprunghaften und gefährlichen 
Entwicklung mancher Republiken, zumeist eine gesündere und stetigere 
staatliche Fortbildung aufweisen. 
3. Die Volksvertretung insbesondere. 
Die Volksvertretung besteht in den meisten jetzigen Staaten aus 23 
zwei getrennten Körperschaften (sog. Zweikammersyste m). 
Eine einzige, unmittelbar vom Volke gewählte Körperschaft ist näm¬ 
lich erfahrungsgemäß in ihrer Beschlußfassung nicht selten von vor¬ 
übergehenden Meinungen und Strömungen und von zufälligen Grup¬ 
pierungen der Parteien zu sehr beeinflußt, als daß ihr allein ohne 
Gefahr für eine ruhige und besonnene staatliche Weiterentwicklung 
die Gesetzgebung überlassen werden könnte. Man hat daher in den 
meisten Staaten der Kamnrer der vom Volke gewählten Abgeordneten 
eine weitere Kammer zur Seite gesetzt, deren Mitglieder teils durch 
ihre Geburtsstellung zur Teilnahme berufen sind, teils durch das 
Staatsoberhaupt ernannt, teils durch einzelne Stände und Körper¬ 
schaften gewählt werden; und man nimmt an, daß diese Mitglieder 
durch ihre Bildung und ihren Besitz eine gewisse Bürgschaft für be¬ 
sonnenes und einsichtsvolles Handeln gewähren. 
So besteht in England neben dem aus Abgeordneten des 24 
Volkes zusammengesetzten Unterhaus das Oberhaus der Lords, in 
Frankreich neben der Kammer der Abgeordneten der Senat, in 
Preußen neben dem Hause der Abgeordneten das Herrenhaus, 
in Bayern neben der Kammer der Abgeordneten die Kammer der 
Reichsräte, in Sachsen, Württemberg, Baden und 
Hessen neben der Zweiten eine Erste Kammer. 
Zum Zwecke der Wahlen für die Volkskammer (Abgeordneten- *5 
haus. Zweite Kammer usw.) sind die Länder in Bezirke (Wahl¬ 
kreise) eingeteilt, von denen jeder einen Abgeordneten stellt. Steht 
das Recht zu wählen (das sog. aktive Wahlrecht) allen männ-
	        
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