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die alte Rührigkeit; alles zehrte noch von der früheren Größe
und lebte in behaglicher Selbstzufriedenheit weiter. Wir sind ein-
geschlafen auf den Lorbeeren Friedrichs des Großen, schrieb die
Königin Luise in einem Briefe an ihren Vater. Das Heer be-
stand meist aus Fremden und war nicht in gutem Zustande; die
Führer waren alt, von einem unüberwindlichen Dünkel erfüllt
und hatten keine Augen für die großen Gefahren.
Napoleon hatte Zeit gehabt, seine Truppen zusammenzuziehen
und fand das preußische Heer in ungünstiger Stellung am Nordrande
des Thüringer Waldes. Der Vortrab unter dem Prinzen Ludwig
Ferdinand wurde zunächst bei Saalfeld am 10. Oktober geschlagen;
der Prinz, der sich nicht gefangen geben wollte, wurde von einem
französischen Wachtmeister erschlagen. Napoleon wußte die Preußen
im Norden und Osten zu umgehen, und beide Heeresabteilungen
wurden an einem Tage geschlagen (14. Okt.) und zersprengt, die
vom Fürsten Hohenlohe geführte von Napoleon selbst bei Jena, die
zweite von dem Herzog Ferdinand von Braunschweig geführte von
Davoust bei Auerstädt (Dorf etwa 2^2 Meilen nördlich von Jena);
der Herzog wurde im entscheidenden Augenblicke von einer Kugel
getroffen, die ihm beide Augen zerstörte*). Am dritten Tage nach
der Schlacht sagte sich der Kurfürst von Sachsen von dem besiegten
Preußen los und schloß mit Napoleon (ll.SDez.) einen Vertrag,
nach welchem er den Königstitel annahm und dem Rheinbunde
beitrat; das letztere thaten auch die sächsischen Herzöge. Nachdem
am 17. Oktober die preußischen Reservetruppen bei Halle geschlagen
waren, zog Napoleon bereits am 27. Oktober in Berlin ein; der
König hatte es mit seiner Familie verlassen und schlug später seine
Hofhaltung in Königsberg auf.
Die einzelnen Abteilungen des Heeres, welche sich zurück-
zogen, wurden abgeschnitten und mußten sich ergeben. Der Prinz
Hohenlohe ergab sich am 28. Oktober zu Prenzlau, Blücher, nach
*) „Das Haus Braunschweig hat aufgehört zu regieren", ver-
fügte Napoleon und verleibte das Herzogtum später dem Königreich
Westfalen ein. Der Herzog floh nach Braunschweig, von da nach
Altona und Ottensen, wo er starb.