Brugsch: Elefantine, Assuan und Philä. 151
Der Insel gegenüber befindet sich ein Dorf der Barabra, deren Bewohner
bei unserer Ankunft neugierig ihre Hütten verließen. Die Hautfarbe
der Barabra, die ein schöner Menschenschlag sind, ist ein ziemlich helles
Braun, der Bronzefarbe nicht unähnlich. Ihr kräftiger Körperbau und
ihre augenehme Physiognomie erinnert an den altägyptischen Typus, wie
wir ihn durchgängig auf den Monumenten ausgeprägt sehen. Wir setzten
oon diesem Ufer aus in einer Barke nach Philä über und durchliefen
die wohlerhaltenen Tempelräume, welche aus den letzten Zeiten der
altägyptischen Reichsgeschichte herrühren. Nacheinander'? wohnten hier
Ägyptier, Äthiopier, Griechen, Römer, Kopten und Araber, und jede
dieser Nationen hat ihre Denkmäler aufzuweisen. Heutzutage bewohnt
kein menschliches Wesen die Insel. Nur eine Schar von Turteltauben
hat im Pronaos des großen Jsistempels ihren Wohnort aufgeschlagen.
Inzwischen war unsere Barke nach mehr als fünfstündiger Auffahrt durch
die Katarakten angelangt. Befriedigt durch den ersten Besuch der reizen-
den Insel setzten wir uns in den schwankenden Nachen, um die Katarakten-
fahrt anzutreten. Bald kamen wir in wirbelnde Wasser hinein, durch
welche sich das Schiff fast ohne Ruder schnell bewegte. Bald hörten wir
ein tosendes Geräusch, das vom Hauptwasserfalle herrührte. Pfeilschnell
fuhren wir iu die Wasserhöhle hinab, und pfeilschnell wurden wir wieder
im wilden Spiel der Welle emporgehoben. Den Weg von Philä nach
Assuan, zu welchem der Nachen fünf Stunden aufwärts gebraucht hatte,
legteu wir iu fünfzig Minuten abwärts zurück.
Die Insel Philä ist mit einer Masse von Monumenten bedeckt, die sich
auf eiuem verhältnismäßig geringen Flächenraum ausbreiten. Das Alter
der Monumente beträgt im allgemeinen wenig mehr als 2000 Jahre vor
unfern Tagen. Das älteste befiudet sich auf dem Südende der Insel.
Es ist ein verfallenes hypäthrales Gebäude. Die Hauptmasse der Denk-
mäler bildet der große Tempel der Isis, der von Ptolemäus II. Phila-
delphus (285 — 247 v. Chr.) angelegt und von seinen Nachfolgern
erweitert ward. Der Tempel besteht seiner Anlage nach aus dem Aller-
heiligsten, dem Pronaos, dem offenem Portikus, dem ersten Pylonen und
dem zweiten Pylonen. Die beiden Pylonen schließen einen Hof ein,
dessen östlichen Teil eine Kolonnade begrenzt, dessen westliche Grenze
dagegen von einem besonderen Heiligtums gebildet wird.
42.
Fahrt auf dem oberen Nil.
(5. B. Klunzinger.
Es ist die Zeit des Hochsommers, wo der herrschende frische Nordwind
das Schifflein mit gebauchtem Segel durch die von den Tropenregen ge¬