Full text: Lesebuch für deutsche Jünglinge

2 
0 
220 
lII. Der Jüngling bei der Arbeit. 
Meldung am Grubentelephon — in einer halben Stunde war 
der ganze Berg von Menschen geräumt. War aber auch die 
höchste Zeit; denn wie nun Grubenwehr einfuhr mit Atmungs— 
apparaten und elektrischen Sicherheitslampen — ich war selber 
mit dabei — da standen hier in den Strecken schon 1000 Raum— 
meter voll Wetter. Wir mußten schleunigst den ganzen Pfeiler 
zumauern — hier!“ Der Obersteiger klopfte an das in der Tat 
sichtbare Mauerwerk rechts und links von der dunklen Offnung. 
„Nur die Strecke hier ließen wir frei. Und nun pumpen wir sie 
schon volle anderthalb Jahre aus, schicken jeden Tag Hundert— 
tausende von Raummetern frische Luft hinunter, aber kriegen das 
verdammte Loch immer noch nicht wetterfrei.“ 
Während mein Begleiter so sprach, hatte er die Bretter mit 
den starken Nägeln vollends herausgerissen. Eine Lücke entstand, 
groß genug, daß ein Mann hindurchkriechen konnte. Er nahm 
seine Lampe und kletterte hinüber in die Wetterstrecke, ich ihm 
nach. Wortlos gingen wir jetzt weiter. Beide hatten wir die 
Lampen herabgeschraubt. Wir waren ja auf einem Patrouillen— 
gange — gegen den Feind. Seltsam hohl klang der Schall unserer 
Schritte in dem langen Gange wieder. Eine geheime Spannung 
war in mir. — Wir waren ja, fernab von jeder menschlichen 
Hilfe, tief drunten im Erdinnern allein mit einem furchtbaren, 
heimtückisch lauernden Gegner, der um so furchtbarer war, weil 
kein menschlicher Sinn ihn wahrnehmen konnte. Immer weiter 
gingen wir, immer Nnäher der Gefahr entgegen, bis der Ober— 
steiger stehen blieb. 
„So, nun können wir immerhin schon mal nachsehen. Wollen 
die Wetter mal kommen lassen.“ Langsam schob er die Lampe 
zur Firste empor, wo sich die Gase auch schon in geringen Mengen 
zu zeigen pflegen. Gespannt sah ich hin, nicht lange, und schon war 
ein kleiner, blauer Lichtsaum an der Flamme da; aber er blieb nicht 
so klein. Schnell wuchs er empor ohne erkennbare Ursache, laut— 
los, geisterhaft, zu einem langen, bläulichen Lichtkegel, eine Art 
Stichflamme, die nun bis an den oberen Rand der Lampe leckte — 
der den menschlichen Sinnen sonst verborgene Feind war ge— 
sichtet. 
„Hallo — da haben wir's.“ 
Mit einem Gefühl der Befriedigung nickte der Obersteiger zu 
mir hin. 
Vorsichtig seine Lampe wieder herunterlassend, sie noch kleiner 
schraubend, daß sie nur wie ein winziges, blaues Pünktchen 
leuchtete, schritt er die letzten zwanzig, dreißig Schritte vorwärts. 
„So, hier war es.“ Er blieb nun stehen und wandte sich zu mir
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.