Full text: [Teil 5, [Schülerband]] (Teil 5, [Schülerband])

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und der freudigen Ernte schmückte," erzählte der Pfarrer. „Manches 
liebe Wort habe ich mit dem ebenso frommen als verständigen und 
allezeit freundlich-milden Greise geteilt, der einzige Jahre, nachdem ich 
mein Amt hier angetreten, im Kreise seiner Kinder und Enkel sanft 
entschlief. In einer Stunde traulichen Beisammenseins, wo ich so 
recht in sein treues, gutes Herz schaute, habe ich von ihm die Geschichte 
der Inschrift seines Hauses vernommen." — Und aufmerksam horchte 
ich nun den Worten des würdigen Geistlichen. 
„Es ist lange her," begann er, „in der schlimmen französischen / 
Zeit war es, wo Drangsal und Elend namentlich auf diesen Gegenden 
schwer lastete und unaufhörliche Kriegsfuhren und Lieferungen von 
Korn, Vieh und anderen Dingen den Landmann fast zu Boden 
drückten und manchen an den Bettelstab brachten. Da trat in der 
Frühe eines schönen Frühlingstages der junge Bauer Valentin aus 
einem alten, verfallenen Hause, das dort stand, wo sich jetzt das Haus 
mit dem^schönen Spruche erhebt. Einen Quersack mit Getreide auf der 
Schulter, schritt er langsam den Ackern zu. Wer ihn ansah mit seinem 
trüben Auge und seiner bleichen, sorgenvollen Miene, der mußte 
wohl merken, daß diesem Manne ein schwerer Kummer auf der Seele 
lag, vor dem Freudigkeit und Mut entschwunden waren. Die Strahlen 
der höher steigenden Sonne scheuchten die leichten Nebel hinweg,/die 
sich hier und da noch an dem fernen Walde hinzogen; die Tautropfen' 
funkelten freundlich an den Gräsern, und die warme Frühlingsluft 
strich belebend über die mit den ersten Blumen sich schmückende Flur. 
Das alles war für ihn nicht da; in tiefe Gedanken versunken, hatte er 
kein Auge für das, was um ihn her vorginge Er kapr auf sein Feld. 
Vergebens grüßten ihn die zarten Blättchen der Hecke, die es einfaßte; 
vergebens sang ihm ein früh heimgekehrtes Rotkehlchen auf einem 
ihrer Zweiglein fröhlich ein Willkommen entgegen; und doch hatte 
er sonst so gern den Boten des Frühlings gehorcht, U 
Beim Anblick des fruchtbaren Bodens, den der Pflug aufgewühlt 
hatte, und der nun die Saat empfangen sollte, kehrten seine jGedanken 
zur Außenwelt zurück. Seine Hand griff in den Sack, um den Weizen 
auszustreuen. Aber er mußte innehalten, die Traurigkeit übermannte 
ihn. Mit banger Sorge sah er in die Zukunft. Sein kleines Besitz¬ 
tum hatte er schon stark verschuldet von seinem seligen Vater über¬ 
nommen; im Herbste hatte er das letzte Geld darauf angeliehen, um 
seine Abgaben bezahlen zu können. Zur Wintersaat war es damals 
auch bei ihm wie bei vielen anderen in diesen Kriegsnöten nicht 
gekommen. Schwer, sehr schwer hatte er sich mit den Seinigen durch
	        
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