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einer Feldschlacht in Keilform aufgestellt. Zum Fußvolk gehörte
namentlich die kriegerische Jugend. Weiber und Kinder feuerten
durch ihren Zuruf den Mut der Kämpfer an. Zur Leitung des
Ganzen wurde ein Herzog gewählt. Die Führer der einzelnen Ab-
teiluugeu waren Fürsten. Sie leisteten durch ihr Vorbild mehr als
durch Befehl. Die Hauptmassen waren die Framea (eine kurze
Lanze) und ein Schild; doch waren auch Streitaxt, Keule und der
Sax (ein schwertähnliches Messer) gebräuchlich.
Eine Eigentümlichkeit der Germanen war das Gefolgschafts-
Wesen. Junge, waffenfähige Männer schloffen sich einem Fürsten an.
Sie bildeten seine Begleitung, wohnten bei ihm und erhielten Speise
und Trauk in seiner Halle; daher heißen sie in späteren Gedichten Herd-
gesellen oder Bankgenossen. Durch einen Eid wurde das Verhältnis
befestigt. Im Kriege wetteiferte das Gefolge mit dem Fürsten in Mut
und Tapferkeit; ihn zu überleben galt als Schimpf.
6. Religion, über die Religion der alten Deutschen haben wir
nur spärliche Nachrichten. Die Quellen, denen wir unsere Kenntnis
der deutschen Mythologie verdanken, sind die Berichte der römischen
und griechischen Schriftsteller (Cäsar, Tacitus, Plutarch, Strabo u. a.)
und die Lebensbeschreibungen der christlichen Glaubensboten, ferner
Abfchwörungsformeln, die Merfeburger Sprüche, die Volkssagen und
Märchen. Genauer sind wir über die altnordische Religion unterrichtet,
mit der wahrscheinlich die Religion der im eigentlichen Deutschland
wohnenden Germanen viel Ähnlichkeit hatte. Die skandinavischen Götter-
und Heldensagen sind in den beiden Edden enthalten. Die ältere
oder Lieder-Edda, die 1643 aufgefunden wurde, ist eine Sammlung
altnordischer Lieder aus dem Ende des 13. Jahrhunderts. Die jüngere
oder prosaische Edda rührt vou dem isländischen Skalden Snorri
Sturlusou (f 1241) her, der für junge Sänger auf Grund der alten
Lieder eine Mythologie schrieb, die den Namen Edda, d. h. Poetik, erhielt.
a) Götter. Die Götter der Germanen waren personifizierte
Naturkräfte. Die ursprünglichen Götter, gewaltige Riesen, mußten
den Lichtgöttern, den Asen, weichen. Diese bewohnen die Himmels-
bürgen und bilden eine Gemeinschaft nach menschlichem Muster. An
ihrer Spitze steht Odin od.er Wodan. Er ist der Gott der Völker-
leitenden Fürsten und der Helden, aber auch „der grübelnde Ase",
der Gott der Weissagung, des Wissens und Dichtens, der die Runen,
die Schristzeicheu, erfunden hat. Er trägt einen großen Schlapphnt,
den er tief ins Gesicht zieht, um seine Einäugigkeit zu verbergen. In
einen weiten Mantel gehüllt, ist er der Anführer der „wilden Jagd".
Thront er auf der Götterburg, dann sitzen zwei Raben auf feinen
Schultern; sie heißen „Gedanke" und „Erinnerung". Odins Gemahlin
Lamprecht, Deutsche Geschichte: Die Religion der Germanen. Atzler,
Qu. u. L. I. Nr. 6. — Kauffmann, Deutsche Mythologie. Sammlung Göschen.
— Golther, Handbuch der germanischen Mythologie. Leipzig 1895.