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mit Eisen beschlagene Torflügel tritt man zu Sevilla in einen ziem¬
lich einfachen Vorhof. Dies ist das Bab der Perser, das Kapu
der Türken, die Pforte, welche im Orient und schon bei unseren
biblischen Erzvätern eine so große Rolle spielt, wo die Geschäfte
verhandelt, Streitigkeiten geschlichtet und Recht gesprochen wurde.
Die christlichen Bewohner haben in jedem dieser Vorhöfe ein Marien¬
bild aufgestellt, vor dem abends zahlreiche Kerzen angezündet werden,
die einen freundlichen Anblick gewähren. Aus dem Vorhof und
durch ein stets geschlossenes, sehr reiches Gittertor, meist einige
Stufen hinabsteigend, tritt man in den innern Hof. Rings um
diesen läuft eine offene Halle, deren Bögen durch schlanke, oft ge¬
kuppelte Säulen getragen werden. In der Mitte des Hofes plätschert
ein Springbrunnen, oft in schönem Marmorbecken, mit Goldfischen
und Forellen, überschattet von einem kleinen Hain von Orangen,
Rosen, Granaten und Myrten. Der übrige Raum ist mit Marmor¬
platten musivisch ausgelegt, und ein ausgespanntes Segeltuch oder
wenigstens eine über ein Gatter gezogene W.einrebe verwandelt
diesen Hof, selbst im hohen Sommer, in einen kühlen und reizenden
Salon, in welchem Sofa, Stühle, Gemälde und Spiegel nicht
fehlen. Der Fremde wird im Vorhofe abgeferttgt und nur der
Eastfreund ins Innere gelassen. Um so zu wohnen, bedarf es
freilich des stets heiteren Himmels dieses Landes.
Helmut Graf von Moltke.
136. Mignon.
1. Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn,
im dunkeln Laub die Goldorangen glühn,
ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht,
die Myrte still und hoch der Lorbeer steht?
Kennst du es wohl?
Dahin! Dahin
möcht' ich mit dir, o mein Geliebter, ziehst.
2. Kennst du das Haus? Auf Säulen ruht sein Dach,
es glänzt der Saal, es schimmert das Gemach,
und Marmorbilder stehn und sehn mich an:
Was hat man dir, du armes Kind, getan?
Kennst du es wohl?
Dahin! Dahin
möcht' ich mit dir, o mein Beschützer, ziehn.
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