Full text: [Abt. 1 = Für Sexta, [Schülerband]] (Abt. 1 = Für Sexta, [Schülerband])

150 8- Beschreibende Prosa. Vm. Bilder aus dem Völker- und Menschenleben. 
mit ihnen auf und ab. Eduard trabte neben dem Vater her und 
hörte den landwirtschaftlichen Gesprächen zu. Der Großvater endlich 
hatte mit der Mutter der Pachterin Platz in der großen Laube ge¬ 
nommen und ging mit ihr die alten Zeiten durch. Jedes war nach 
seiner Weise seelenvergnügt, und der Himmel, der wie ein reiner 
Krystall über der Erde lag, schaute auf ein ganzes Völkchen glück¬ 
licher Menschen herab, deren Heiterkeit so rein war wie er selbst. 
Der Mittag kam schnell heran, und da den Gästen freigestellt 
wurde, ob sie im Hause oder im Garten essen wollten, wurde der 
Garten einstimmig vorgezogen. Da war es nun wieder erfreulich, wie 
es bald um den Tisch auch von ungebetenen Gästen wimmelte. Die 
Hühner waren die kühnsten, und sie fragten nichts danach, daß eben 
auf dem Tische einige aus ihrer Herde zerlegt und gegessen wurden; 
etwas weiter entfernt hielten sich die Tauben; die meiste Freude aber 
machte den Mädchen ein Paar Grasmücken, die von den nächsten 
Zweigen neugierig herabsahen und immer näher und näher kamen. 
Bis auf den Tisch aber waren sie mit aller Mühe nicht zu locken. 
Endlich — und das war wohl der größte Spaß — drängten sich 
auch zwei kleine Ziegen durch den Zaun — die Mutter war vorher 
keck darübergesprungen — und forderten mit lustigen Sprüngen ihren 
Teil an der Mahlzeit/ Die alte Mutter wollte zwar die zudringlichen 
Gäste wegscheuchen; aber da wurde einmütig für sie gebeten. „War 
es denn im Paradiese anders?“ sagte der Großvater. „Saßen da die 
ersten Eltern nicht auch unter mancherlei Tieren, zahmen und wil¬ 
den?“ Dieser Grund blieb unbeantwortet, aber das Wegscheuchen 
wurde unter der Hand fortgesetzt. 
Nach aufgehobener Tafel — es war stattlich dabei hergegangen, 
und der Pachter hatte seinen guten Apfel- und Johannisbeerwein 
nicht gespart — nahm die Gesellschaft einen Lustgang auf den 
Meierhof vor, der dem alten Vater des Pachters gehörte. Der Weg 
ging meist auf Wiesen und am Wasser hin, immer im Schatten und 
so eben und wohl erhalten, daß auch der Großvater kein Bedenken 
trug, an dem Arme seiner Tochter die halbe Stunde zu Fuß zu ge¬ 
hen. So gut die ganze Gegend angebaut ist, so zeichnet sich doch 
die Besitzung des alten Andreas — unter diesem Namen ist der alte 
Meier in der ganzen Gegend bekannt — gleich beim ersten Eintritt 
aus. Die Wiesen scheinen grüner, das Gras fetter und üppiger. Die 
Äcker sehen Gärten gleich. An den Rändern der Bäche, von denen 
die Wiesen durchschnitten sind, ziehen sich lange Reihen duftender 
Akazienbäume hin und teilen die Sammetteppiche in scharfe Vierecke. 
Alles ist ein Bild der Ordnung und liebevoller Pflege. Da nun alle 
ihr Wohlgefallen an dem schönen Besitztum bezeigten, sagte ihr 
Führer: „Und doch war alles, was Sie hier sehen, eh' es in die
	        
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