Full text: [Abt. 1 = Für Sexta, [Schülerband]] (Abt. 1 = Für Sexta, [Schülerband])

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Brüder Grimm: Der Arme und der Reiche. 
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Haus für das alte wünschen?" Da sagte der Mann: „Ja, wenn das 
ginge, wär's mir wohl lieb." Nun erfüllte der Herr ihre Wünsche 
und verwandelte ihr altes Haus in ein schönes, neues, und als das 
geschehen war, verließ er sie und zog weiter. 
Als es voller Tag war, der Reiche aufstand und sich ins Fenster 
legte, sah er gegenüber ein schönes, neues Haus da, wo sonst eine alte 
Hütte gestanden hatte. Da machte er Augen, rief seine Frau und sprach: 
„Frau, sieh einmal, wie ist das zugegangen? Gestern abends stand 
dort eine elende Hütte, und nun ist's ein schönes, neues Haus; lauf 
doch einmal hinüber und höre, wie das gekommen ist." Die Frau 
ging hin und fragte den Armen aus; der erzählte ihr: „Gestern abends 
kam ein Wanderer, der suchte Nachtherberge, und heute morgens beim 
Abschied hat er uns drei Wünsche gewährt: die ewige Seligkeit, Ge¬ 
sundheit in diesem Leben und das notdürftige tägliche Brot dazu und 
statt unserer Hütte ein schönes neues Haus." Als die Frau des 
Reichen das gehört hatte, lief sie fort und erzählte ihrem Manne, wie 
es gekommen war. Der Mann sprach: „Ich möchte mich zerreißen 
und zerschlagen; hätt' ich nur das gewußt! Der Fremde ist auch bei 
mir gewesen, ich habe ihn aber abgewiesen." — „Beeile dich," sprach 
die Frau, „und setze dich auf dein Pferd, der Mann ist noch nicht weit; 
du mußt ihn einholen und dir auch drei Wünsche gewähren lassen." 
Da setzte sich der Reiche auf und holte den lieben Gott ein, 
redete fein und lieblich zu ihm und sprach, er möcht's nicht übel nehmen, 
daß er nicht gleich wäre eingelassen worden, er hätte den Schlüssel zur 
Hausthüre gesucht, derweil wäre er weggegangen; wenn er des Weges 
zurückkäme, müßte er bei ihm einkehren. „Ja," sprach der liebe Gott, 
„wenn ich einmal zurückkomme, will ich es thun." Da fragte der 
Reiche, ob er nicht auch drei Wünsche thun dürfe wie sein Nachbar. 
Ja, sagte der liebe Gott, das dürfte er wohl, es wäre aber nicht 
gut für ihn, er sollte sich lieber nichts wünschen. Der Reiche aber 
meinte, er wollte sich schon etwas Gutes aussuchen, wenn es nur gewiß 
erfüllt würde. Sprach der liebe Gott: „Reit nur heim, und drei 
Wünsche, die du thust, die sollen erfüllt werden." 
Nun hatte der Reiche, was er wollte, ritt heimwärts und besann 
sich, was er sich wünschen sollte. Wie er so nachdachte und die Zügel 
fallen ließ, fing das Pferd an zu springen, so daß er immerfort in 
seinen Gedanken gestört wurde und sie gar nicht zusammenbringen konnte. 
Da ward er über das Pferd ärgerlich und sprach in Ungeduld: „So 
wollt' ich, daß du den Hals zerbrächst!" Und wie er das Wort aus¬ 
gesprochen hatte, plump, fiel er auf die Erde, und lag das Pferd tot 
und regte sich nicht mehr, und war der erste Wunsch erfüllt. Weil er 
aber geizig war, wollte er das Sattelzeug nicht im Stich lassen, schnitt's 
ab, hing's auf den Rücken und mußte nun zu Fuß nach Hause gehen.
	        
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