Full text: Lehrbuch der Geschichte der Völker und Staaten des Alterthums

554 
Plar. Pliaedr. Axiatoph. Acharn, 539, Thucydj II, 60, Cic, 
in Brut. 7 —. j3. 
Nachdem aber die Sophisten, von Gorgias an, die Be¬ 
redtsamkeit auch theoretisch gelehrt, nachdem die innern und 
äußern Staats-Verhältnisse Griechenlands sich bedeutend verän¬ 
dert, Künste und Wissenschaften erhöhete Fortschritte gemacht, 
die peloponnesischen Bürgerkämpfe, die Ohnmacht des zerrissenen 
Griechenlands neuen Gefahren Preis gegeben, die Sitten ver- 
darben, die Prozesse vermehrt, den Faktionsgeist genährt, kurz 
einen Philipp von Mazedonien ins Land gezogen hatten: da 
schien das Zeitalter der praktischen Beredtsamkeit und die 
Periode gekommen zu seyn, wo der Staatsmann immer mehr 
Redner seyn mußte, um die Staatsgeschäfte leiten, um auf der 
Redncrbühne die erkaltete Brust für patriotische Gefühle erwär¬ 
men zu können. So bahnte besonders auch die Vervielfältigung 
der Staats-Prozesse der Theilnahme an den Staatsgeschäften 
den Weg; so wurden aus Sachwaltern Staatsverwalrer, und 
aus G.richtsmannern Staatsmänner, und die Begriffe von 
Rednern und Staatsmännern in der praktischen Politik Wechsel- 
begriffe, wie das Beispiel eines Antiphon, AndozideS, 
Lysiaö und selbst eines Isok rares beweist, der sich als Lehrer 
der Beredtsamkeit zugleich als Lehrer der Staatskunft betrachtete. 
^rb.Ol.gg, Noch mehr aber bewährt sich diese innige Verbindung und 
384 «. Wechselwirkung zwischen Staats- und Rede-Kunst in dem 
à(36s». Bilde und Beispiele desjenigen Redners, welchen selbst der 
'3 Meister der römischen Beredtsamkeit für seinen Meister er- 
^321 (fastklarte, Cic. in Br. c. 9, nämlich des Demosthenes, eines 
qleick;. mit Mannes, welchen das Zeitalter eines Philipp eben so noth- 
-U'istoteles). wendig hervorrief, wie die Perserkriege einen Themistokles, 
und der athenisch-spartanische Bürgerkrieg einen PerikleS, 
eines Mannes und Meisters, dessen Politik eben so tief aus 
seinem Gemüth, wie aus dem Geist seiner Zeit hervorging, der - 
wie Sokrates gegen die Sophisten, so gegen den arglistigen 
Mazedonier Philipp, von seinem ersten Auftreten bis zu dem 
Gift, daö er im Tempel nahm, mit einer so erhabenen Große 
und Standhaftigkeit, zugleich aber auch mit einem Unglücke 
kämpfte, daß er — als ein Held im Kampfe mit dem Schicksal 
— unter allen politischen Charakteren den höchsten und reinsten 
tragischen Charakter enthüllt — bald als Sachwalter — als 
Vertheidiger und Ankläger —, bald als Rathgeber, bald als 
Gesandter, bald als Friedensstifter, bald als Freiheitsprediger, 
bald als Kriegesund Kampfes-Herold seiner Vaterstadt, bald 
als Selbstvertheidiger gegen politische Sykophantien und Fak¬ 
tionen (Aeschineö), immer aber als Gegner der mazedonischen 
Politik, als Zeichendeuter und Seher der politischen Zukunft 
auftretend — bestand er — nicht mit Mitteln, wie sie neuern 
Staatsmännern zu Gebote stehen, die Befehle aus demKabinet 
des Fürsten ertheilen, und über Schatzkammern, über Ehren¬ 
stellen und Ordensbänder gebieten, ausgerüstet, sondern einzig 
und allein durch seine große Persönlichkeit, durch seine Talente, 
seine Thätigkeit und seinen Muth getragen und gestützt — 
dreißig Jahr lang den Kampf mit der auswärtigen Ueber- 
macht, und den noch größern und gefährlichern mit der Ver- 
derbniß seines eigenen Volkes, und wich nicht, bis er unter 
seinen Trümmern erschlagen ward. Vergl. Beckers Demo¬ 
sthenes als Staatsmann und Redner, i8i5.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.