Object: Die Weltgeschichte in übersichtlicher Darstellung

450 Die Zeitereignisse der fünfziger und sechziger Jahre. §. 596. 
den Oberbefehl über die Land- und Seemacht erhalten haben würde und 
die Herzogthümer in den innigsten Verband mit dem Königreich getreten 
wären, führte zu keinem Resultat. So dauerte der provisorische Zustand 
sammt der Augustenburger „Nebenregierung" fort; und da die beiden Mini- 
ster Bismarck in Berlin und Belcredi in Wien die Hände frei haben 
wollten, um sich den inneren Angelegenheiten ihrer Staaten zu widmen und 
den Conflict mit ihren Reichsständen zum Ausgleich zu bringen, so wurde 
1i186s?' die Gasteiner Convention geschlossen. Darin kam man überein, daß 
die Herzogthümer noch ferner im gemeinschaftlichen Besitz der beiden Eroberer 
bleiben sollten, und zwar in der Art, daß die Verwaltung und Regierung 
von Schleswig an Preußen, die von Holstein an Oesterreich überlassen, das 
Herzogthum Lauenburg dagegen von dem Kaiser an den preußischen König 
um die Summe von 2V2 Mill. Neichsthaler abgetreten würde. Nach einer 
persönlichen Zusammenkunft beider Monarchen in Salzburg kam der Vertrag 
zur Ausführung. Dieses Abkommen fand wenig Beifall bei der deutschen 
Nation; es trug die Keime neuer Verwickelungen in sich und schuf einen 
unhaltbaren Zustand. Aber wie sehr auch noch immer für die Herzogthümer 
„die schwarzen und die heitern Loose" im Schooße der Zukunft verhüllt 
lagen, Eine große Errungenschaft hat der Krieg und der Friede gebracht; der 
Schmerzensruf der deutschen Bevölkerung: „Los von Dänemark!" ist erhört 
worden. Nun galt für die deutsche Nation die Parole: „Wahre treu, was 
schwer errungen!" 
c) Die Gründung des Königreichs Italien. 
§. 596. Lage und Parteistellung. Zweimal hatte die sardinische 
Regierung vergebens versucht, Italiens Befreiung mit Waffengewalt zu 
erzwingen; durch Radetzky's Siege war die Machtstellung Oesterreichs in dem 
Apenninenlande auf's Neue befestigt worden und übte den alten Druck auf 
das politische und geistige Leben der Nation. Nicht nur, daß das lombardisch- 
venetianische Königreich von einer bedeutenden Militärmacht und gewaltigen 
Festungen niedergehalten wurde, Oesterreich war auch zugleich der Halt und 
Hort der conservativen und reactionären Partei im Übrigen Italien und in 
den kleineren Staaten, mit denen es durch Verträge oder verwandtschaftliche 
Bande verknüpft war. Im Vertrauen auf seinen Schutz errichteten die heim¬ 
gekehrten Fürsten von Modena und Parma ein Regiment der Rache und 
Verfolgung gegen alle Anhänger eines freien Staatslebens. Durch öfter- 
reichischen Einfluß wurde in Toscana die Verfassung beseitigt; im Vertrauen 
und nach dem Vorbild von Oesterreich hielt König Ferdinand 'II. von Neapel 
und ©kitten mit einer großen, durch fremde Söldner verstärkten Soldaten- 
macht sein Volk in niedriger Knechtschaft und trieb den Steuerdruck und die 
Staatslasten auf eine unerschwingliche Höhe. Den Papst schützte Oesterreich 
durch Besetzung des nördlichen Theils des Kirchenstaats (der Legationen) und 
gewann den Klerus durch ein günstiges Concordat. Diese Machtstellung des 
Kaiserreichs zu brechen, war das eifrigste Bestreben der sardinischen Regierung 
unter Vietor Emanuel, einem König, der mit militärischem Sinn und 
festem Much ein Herz für vaterländische Interessen und nationale Ehre ver¬ 
band und sich von den Rathschlägen seines Ministers, des großen Staats- 
mannes Camillo Cavour, leiten ließ. Aber ehe man nochmals zum Schwert 
griff, sollte das österreichische Regiment geistig unterwühlt und erschüttert 
werden. Und so sehen wir in den' fünfziger Jahren zwei politische Systeme 
in der apenninischen Halbinsel thätig, die in Oberitalien wurzelnd die ganze 
Nation in zwei Heerlager sammelten. Setzte Oesterreich nach alter Gewohn¬ 
heit sein Vertrauen auf die Macht der Bajonette, auf den Einfluß des 
Klerus, auf den Schrecken der Polizei; so schlug Sardinien den entgegerv
	        
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