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feinem Bruder gab. Der hat noch manches Jahr Waldemars wegen mit
den märkischen Städten in Fehde gelegen. Endlich blieb er Sieger-
Waldemar entsagte der Mark und starb später zu Dessau, wo er auch
begraben liegt.
Nachmals hat man gesagt, der Pilger sei ein Mnllerknecht gewesen,
Namens Jakob Nehbock, der lange Zeit an dem Hofe des Markgrasen
Waldemar als Diener gelebt habe, und der seinem verstorbenen Herrn
ähnlich gewesen sei. Die Feinde des Markgrafen Ludwig hätten ihn be¬
redet, diesen Betrug zu spielen. Es wciß aber keiner genau, wie die
Sache sich verhalten hat.
18. Die Gründung der Stadt Thorn.
Nach F. v. Kvppen. Die Hohenzollern und das Reich.
Zu der Zeit, als das ganze deutsche Land und auch Polen schon dem
Christentum gewonnen war, beharrten die wilden Preußen, welche nördlich
von Polen an den Ufern der Weichsel nach der Ostsee zu saßen, noch immer
bei dem heidnischen Glauben. Vergeblich war das Bemühen vieler Glaubens¬
boten gewesen, die ihnen das Evangelium gepredigt hatten. Die meisten
derselben lagen in den Wäldern und Sümpfen des Landes erschlagen.
Als nun ums Jahr 1200 der fromme Mönch Christian von Oliva in
Preußen wirkte, sah auch er ein, daß er mit friedlicher Predigt nichts
ausrichten konnte. Im Einverständnis mit dem Herzog Konrad von
Masovien rief er deshalb den deutschen Ritterorden herbei, damit dieser
sich das Land unterwerfe.
Die Weichsel hinunter fuhren nun die ersten Ordensritter nach den
Grenzen der Preußen und setzten sich zunächst in den Grenzburgen fest,
welche die Polen am linken Ufer errichtet hatten. Von hier spähten sie
über den gelben Strom aus Wald und Hügel des Kulmer Landes, das
der Schauplatz der nächsten Kämpfe und ihre Heimat werden sollte; aber
die neue Heimat dünkte ihnen gar unwirtlich und rauh, und das Volk
war wilder, als sie es sich gedacht hatten.
In der Gegend, wo heute Thorn liegt, ging Hermann Balk, der Führer
der kleinen Lchar, auf das rechte Weichselufer. Hier gewahrte er eine
uralte,^ mächtige Eiche, welche auf einem weitschauenden Hügel stand und
dem Volke der Preußen für heilig galt. Diese wählte er zur ersten Burg
im Kulmer Lande. Den Raum' rings um den Stamm ließ er durch Erd-
wälle und Pfahlmerk umhegen und befestigen, über die untern starken
Äste, welche nach Art des Baumes sich starr zur Seite streckten, ließ er
Dielen legen und den Wipfel mit feinen niederhängenden Zweigen zu
einer Laube wölben. Eine schmale, gewundene Treppe führte von den
Wurzeln des Baumes zu dem gedielten und rings umschauten Raume in
icr Krone hinauf. Dieser Behausung der Ritter gab Hermann Balk die