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geringen Handelsverkehr ist sie, von der langen, aber zeitlich doch auch be- 
grenzten Besetzung Alaskas durch die Russen abgesehen, niemals hinaus- 
gewachsen. Auch weiter südlich, wo die Beringsee zwischen Kamtschatka, 
Alaska und den Aleuten ein Binnenmeer bildet, das in seiner Gestaltung 
keinem Binnen- und Mittelmeere der Erde rücksichtlich seiner Eignung für 
Völkerverbindung und Völkerdurchdringung in irgend einer Weise nachsteht, 
suchen wir vergebens nach einer geschichtlichen Rolle dieses Teiles des Stillen 
Ozeans. Hier im eisigen Norden fehlen eben alle Vorbedingungen dafür, 
wie sie sich an anderen, gestaltlich viel weniger begnadeten, klimatisch aber 
begünstigteren Teilen der Erdoberfläche zu Hunderten im Laufe der Menschheits¬ 
geschichte gefunden haben. Jene nordischen Gestade find zu trostlos unwirt- 
lich, als daß sie eine Ausdehnung der Menschheit gerade an dieser Stelle 
begünstigen könnten; der hohe Norden mit seinen Eis- nnd Schneefeldern, 
seinem Vegetationsmangel und seinem spärlichen Tierleben gibt für den 
Menschen eine nur karge Heimstätte ab, die seine Vermehrung hindert und 
seine Verbreitung erschwert. Und kommt er einmal in Bewegung, dann 
treibt ihn ein innerer angeborener Drang gen Süden, in leichtere Lebens- 
Verhältnisse, in dunkel geahnte, glücklichere Gefilde. So bleibt hier die 
prächtige Brücke unbenutzt, wie bequem sie auch ist; es fehlt an den Massen, 
die sie betreten könnten. Je weiter aber nach Süden in gemäßigten und 
tropischen Klimaten die Küste wohnlicher wird, desto mehr dehnt sich die 
trennende Wasserfläche in maßlose Breite, desto mehr schwindet das Gegen- 
über sowohl vom realen wie vom idealen Horizonte. 
Auch die Küstenbildung der beiden großen Festlandmassen ist nicht überall 
danach angetan, ihre Bevölkerung dem Meere zuzuführen. In höchstem Maße 
gilt dies von Amerika. Vom hohen Norden bis zur Südspitze hinunter durch- 
zieht den langgestreckten Doppelkontinent, dicht am Stillen Ozean entlang, 
ein steiler, schroffer Gebirgswall, der zwischen Küste und Binnenland eine 
schwer überstergliche Schranke bildet und im nördlichen Erdteile nur von 
wenigen, im südlichen von keinen Strömen durchbrochen wird. Die pazifische 
Seite ist für das historische Amerika die Rückseite; fein Antlitz ist der Atlantis 
zugekehrt. 
Ungleich günstiger stellt sich das westliche Gestade desDzeans dar. Zahl- 
reich, groß und gewaltig find die Ströme, die dem Meere aus Asiens tiefem 
Innern zueilen, das damit dem Ozean innig verbunden erscheint. Vergrößert 
wird die Berührungsfläche noch durch jene Reihe von Inselgruppen, die den 
Ostrand Asiens girlandenförmig bekränzen und der Festlandsbevölkerung den 
ersten Ruhepunkt beim Austritt auf das Meer gewähren. So einerseits zum 
Betreten des Ozeans verlockend, bilden diese Jnselreihen anderseits eine 
Schranke: sie fangen die vom Kontinent austretenden Völkermasfen auf und 
halten sie für lange Zeit fest. Dies wird um so verständlicher, wenn man in 
Betracht zieht, daß die Wanderung selbst, durch primitive Schiffahrt ver- 
mittelt, die ersten Wanderer nur in geringeren Massen und allmählich über 
das Randmeer entführt. Das Hinausgehen auf den Ozean wird also durch 
die Randinseln wohl intensiv gefördert, extensiv aber verlangsamt und er- 
schwert; denn erst muß das aussaugende Hindernis mit der langsam ein- 
sickernden neuen Bevölkerung gesättigt sein, bevor dieses als neue Völkerwoge 
den Ozean von neuem zu überschreiten vermag. Welche Zeiträume mögen 
also erforderlich gewesen sein, die reiche Inselwelt Ostasiens mit der allmäh- 
lichen, tropfenweise erfolgenden Zufuhr zu sättigen und dieser den Trieb zu 
weiterem Vordringen in die unabsehbare Wasserfläche hinein zu geben! Ist
	        
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