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Zweiter Zeitraum. II. Abschnitt.
August T. veranstaltete eine neue Gesetzgebung, und sorgte dadurch ganz
vorzüglich für das Wohl seines Staates. Der Kurfürst Friedrich
August I. oder der Starke brachte außer andern bedeutenden Opfern
der polnischen Krone auch das des Protestantismus. Hannover hatte
nicht nur Erweiterung der Grenzen errungen, sondern auch eine neue
Kurwürde, und seit 1714, durch Georg Ludwig, den Enkel der un¬
glücklichen Pfalzgräfin und Böhmenkönigin Elisabeth, sogar den Thron
von Großbritannien erworben.
Das Haus Wittelsbach war in Deutschland ebenfalls zu einer
nicht unbeträchtlichen Macht gelangt, indem es zwei Kurfürstenthümer
(Baiern und die Pfalz) besaß, und in Karl X. (Pfalzgrafen Karl
Gustav von Zweibrückcn) schon 1654 den Schweden einen König ge¬
geben hatte , weil gerade damals Gustav Adolph's Tochter, Christine,
aus Eitelkeit die Krone von Schweden opferte. Dagegen schmeichelte
stch eben jetzt Kaiser Leopold I. mit der Hoffnung einer bedeutenden
Erbschaft, wodurch er sich und seiner Familie den Vorrang vor allen
Herrscherfamilien Europas zu erwerben hoffen dürfte. Denn
in Spanien war Karl II. dem Tode nahe, ohne Kinder zu hin-
terlassen. Unter seinen Vorgängern Philipp HI. und Philipp IV.
(1598 —1621 und 1621 —1665) sank das unglückliche Land durch
die Intoleranz und Unfähigkeit der beiden Könige auf eine traurige Stufe
der Ohnmacht nach Innen und Außen. Die einst so stolzen Spanier
verwandelten sich in ein armes, träges, schmutziges Volk, ohne Industrie
und ohne geistige Bildung. Philipp IV. musste stch 1640 die Lostren¬
nung Portugals als eines eigenen Reiches gefallen lassen und hatte an
Ludwig XIV. einen zu mächtigen und gierigen Nachbar. In Portugal
kam das Haus Braganza auf den Thron. 1668 erkannte Spanien die
Unabhängigkeit Portugals an, welches unter Peter's II. Regierung mit
Holland einen Frieden schloss, der ihm den Besitz von Brasilien sicherte.
Karl II. von Spanien (1665—1700) war der letzte aus dem Habsburgi-
schen Mannsstamme. Alle Regentcnhäuser Europas erwarteten mit
der höchsten Spannung, welche der vielen ihm verwandten Häuser er zum
Erben einsetzen würde. Schon früher batte er ein Testament gemacht,
in welchem er zufolge des Erbrechts sich für den Sohn des zu Brüssel,
als Statthalter der spanischen Niederlande, residirendcn Kurfürsten Maxi¬
milian Emanuel von Baiern erklärte. Aber Maximilian Emanuel
starb als Kurprinz. Als Kronbewerber traten nun die beiden Schwäger
Karl's auf. Nämlich der Kaiser Leopold I. für seinen zweiten Sohn,
den Erzherzog Karl, und Ludwig XIV. für seinen Enkel, den Her¬
zog von Anjou. Karl II. entschied sich für Frankreich, und in stol¬
zem Uebermuthe erklärte nun Ludwig seinem Hose: „Nun giebt es keine
Pyrenäen mehr!" Dagegen aber traten England, Holland und Por¬
tugal mit der Erklärung auf: die Erwerbung so großer Länder, selbst
solcher, welche außerhalb Europas lägen, sei für Europas Freiheit ge¬