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In den Burgen wohnten einst mächtige Ritter. Da tkönten
die hohen Säle wider von Sang und Klang, in den Ställen
scharrten die Rosse, Wasser floß in den Burggräben, die Tore
und Zugbrücken taten sich auf und schlossen sich. Hoch auf
dem Turme stand der, Wächter. Da stieß er ins Horn und —
„die Feinde kommen!“ so rief es in der Burg. Nun schmetterte
die Trompete, die Knappen zogen die Pferde aus dem Stalle
auf den Burghof, wo sie wieherten und stampften; die Rilter
klirrten daher mit schweren Sporen und mächtigen Schwertern,
in Eisen gekleidet von Kopf bis zu Fuß. „Zu Roß!“ erschallte
die Stimme des Burgherrn, und Rilter und Knappen sprängen
rasselnd in den Sattel; Schwert, Speer und Schild blißten im
Sonnenstrahl, Helmbüsche und Fähnlein flatterten. Die Zug—
brücke sank nieder, und wuchtig donnerte die Schar hinüber, den
Schloßberg hinab dem Feinde entgegen. Wie da die langen
Schwerter sausen! Speere splittern, die Schilde zerspringen,
die Rosse steigen, und mancher Reiter sinkt in den Sand.
Und abends, wenn die siegreiche Schar mit den gefangenen
Feinden und erbeuteten Rossen heimkehrte, welch ein Jubel war
dann in der Burg! — Später saßen die Ritter traulich am
hohen Kamin, ließen sich den Wein wohl schmecken und erzähl—
ten von dem Kampfen Die Knaben aber standen hinter den
Sesseln, lauschten und wünschten sich, auch groß zu sein, um
ebensolche Taten verrichten zu können. — Wer hälte nicht da—
bei sein mögen!
242. Die alte Burg.
Mobert Reinick.)
1. Seh' ich die Trümmer ragen
hoch am Felsenrand,
träum' ich von alten Tagen,
wo die Burg noch stand;
2. wo die Türme stiegen
in die Luft so schlank,
wo auf hohen Stiegen
klirrt' der Waffen Klang;
3. wo die Hörner schallten
zu der lust'gen Jagd,
wo die Fahnen wallten
zu der wilden Jagd.
4. Männer sah man streiten
hier mit Heldenmut,
wilde, rauhe Zeiten
tobten hier in Wut.