(Aus der Wölsungensage.)
38. Sigurd (Siegfried) erweckt Brunhild und gelobt, sie
zum Weibe zu nehmen.
Nach Albert Richter. Götter und Helden. Leipzig, und Dr. Adolf Lange. Deutsche
Götter- und Heldensagen. Leipzig.
Von den Vögeln in den Zweigen hatte Sigurd gehört: „Wisse,
daß dir ein wunderherrliches Weib bestimmt ist. Grüne Pfade werden
dich zu einem Berge führen. Dort findest du eine Burg, die ist
ringsum mit Flammen umgeben. Darin schläft eine herrliche Jung¬
frau, die Odin einst mit dem Dorne gestochen und in Schlaf versenkt
hat, weil sie gegen seinen Willen einen Mann getötet hatte. Du bist
es, der sie aus diesem Schlafe erwecken wird, keinem andern Manne
ist das von den Sternen bestimmt."
Da machte sich Sigurd auf, bestieg sein Roß und ritt davon.
Südwärts lenkte er das Roß, den: Frankenlande zu.
Es war aber Sigurd ein Held von gewaltiger Gestalt: Schritt er
durch ein blühendes Roggenfeld, so berührte das untere Ende seines
Schwertes Gram — und das war sieben Spannen lang — die
Spitzen der Ähren. Seine Schultern waren so breit wie die von zwei
Männern. Sein Haar fiel in schöneil, langen, braunen Locken auf
die Schultern nieder: von gleicher Farbe war sein dichter, kurzer Bart.
Seine Augen warell so scharf, daß es wellige wagten, ihm unter die
Brauen zu blicken. Sein Schild flammte voll rotem Golde, und ein
Drache war darauf gemalt: dessen obere Hälfte war dunkelbraun, die
untere rot; eine Goldbrünne trug er, mit Gold geschmückt waren alle seine
Waffell, lmd jedes Stück seiner Rüsturlg war mit dem Drachenbild ver¬
ziert : daran sollte man erkennen, daß er den Drachen Fafnir erschlagen.
Auf hohelil Berge im Frankelllande gewahrte Sigurd Lichtschein
wie von einem großen Feuer. Er ritt näher und erblickte eine Burg;