Begleitwort.
VII
müssen, wenn seine Schüler nicht nur als vollberechtigte, sondern
auch als vollwertige Abiturienten zur Universität kommen und dereinst
wie alle anderen zur Führerschaft des Volkes befähigt sein sollen: In
immer wachsendem Maße wird jeder einzelne Unterrichtsgegenstand vertieft
und der Lernende auf allen Gebieten zur selbständigen Denkarbeit an¬
gehalten werden müssen. Nicht nur Realien sind zu vermitteln, wie der
Name der Schulgattung glauben machen könnte, sondern, ohne daß dies
irgendwie und irgendwo vernachlässigt oder gar eingeschränkt würde,
muß vielmehr bei den vielen oder gerade wegen der vielen Realien,
die heutzutage für unentbehrlich erachtet werden, als Hauptziel der
Leistungen festgehalten werden, daß die Schule zu einer Höhe des Gesichts¬
kreises hinführe, von der herab jeder, der sie durchlaufen hat, mit dem
besonderen Wunsche und auch mit dem Vertrauen in die Zukunft blickt,
daß er demnächst beim Abgang von der Hochschule oder sonst beim
Eintritt ins öffentliche Leben in der Lage sein möchte, unbeirrt durch
die Vielseitigkeit und Buntheit der Erscheinungen ein eigenes Urteil zu
fällen und dieses auch, soweit es nötig erscheint, in Wort und Schrift
zu vertreten.
Auch das Urteil auf ästhetischem Gebiete mag hier mit eingeschlossen
werden. Der Gegensatz von Können und Wissen, der neuerdings so
häufig zu gunsten des ersteren betont wird, sollte dafür ganz besonders
hervorgekehrt werden. Es wäre für die Schule schon hinreichend genug
gewonnen, wenn der Lernende in seinem Vermögen so weit gebracht
wiirde, daß er das persönliche, natürliche Empfinden nicht mehr dem
Lärm der Menge gegenüber verleugnete. Erst wer eignen, selbständigen
Geschmack verrät, zeigt sich auf der Höhe der Bildung. Hier liegt aller¬
dings die Gefahr nahe, daß im Verhältnis zum Alter der Schüler von
der Schule zu viel erwartet wird, oder gar daß die Schule selbst im
Übereifer in ihren Anforderungen darin zu weit geht. Wie dem auch
sei, hoch ist das Ziel zu stecken und von mir auch gesteckt, — ich bin
mir dessen wohl bewußt — aber ebenso bestimmt ist meine Ansicht, daß
wir in keiner Weise es umgehen können.
Zur Mitarbeit an der Erreichung solch hohen Zieles ist aber in
erster Linie das Lesebuch berufen, und die weite Verbreitung, die das
Lesebuch von Paldamus-Scholderer namentlich an Realanstalten bisher
gefunden hat, ließ gerade dieses jetzt als hervorragend geeignet dazu
erscheinen. Hat es doch der letzte Herausgeber, ein Vorgänger und das
Vorbild des Unterzeichneten im Amte, stets als eine seiner vornehmsten