Schubert: Gruit van Steen.
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I. Erzählungen.
\. Gruit van Steen.
Gotthilf Heinrich von Schubert. Vorsehung und Meuschenschicksale. 2. Bändchen.
Stuttgart.
1.
Das Handelshaus Gruit vau Steen war im Beginne des siebzehnten
Jahrhunderts eines der angesehensten, reichsten und festbegründetsten in
Hamburg. Das Oberhaupt des Hauses war damals Hermann Gruit,
der nach dem Tode des ehrwürdigen Vaters mit der Handlung und dem
Hause auch den alten Jansen als Erbstück überkommen hatte, einen
goldtreuen Diener des Hauses, mit Leib und Seele, wie sonst dem alten,
nun dem jungen Herrn zugethan, welchen er schon als Kind auf den
Knieen geschaukelt hatte. Wenige verstanden das Handelswesen damaliger
Zeit bis in seine äußersten Verzweigungen so von Grund aus wie der
alte Jansen; daher galt auch sein Wort in der Schreibstube wie das
des Herrn selbst. Der dreißigjährige Krieg verheerte schon seit zwanzig
Jahren unser armes Vaterland durch Raub, Mord und Brand von
einem Ende zum andern; Städte und Dörfer waren zu Hunderten ver¬
heert und verlassen von den Bewohnern, die mit dem Vieh in die
Wälder geflohen waren, um sich vor den räuberischen, blutigen Händen
der gottlosen Kriegsleute zu retten. Unter diesen Umständen und
namentlich auch bei der Unsicherheit der Straßen in allen Ländern
war es kein Wunder, daß der Handel stockte und vorzüglich der Ver¬
trieb ins Innere von Deutschland gelähmt war. Das fühlte man auch
im Comptoir des Hermann Gruit, da schon seit längerer Zeit viel
seltener und weniger bepackt die Saumrosse und Frachtwagen vor dem
Hause hielten, und drinnen war's oft wochenlang so still wie in einer
Kirche, während es sonst manchen Tag in und vor dem Hause fast
so lebhaft hergegangen war als auf dem Markte.
Da geschah es eines Morgens, daß, nachdem der alte Jansen im
Comptoir lange den Kopf geschüttelt und dann noch länger gedankenvoll von
seinen Briefen weg hinauf an die braungetäfelte Zimmerdecke so starr