Full text: Für Sexta und Quinta (Abt. 1, [Schülerband])

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aber wurden die Gaben der weisen Frauen erfüllt; denn es war 
so schön, sittsam, freundlich und verständig, daß es jedermann, 
der es ansah, lieb haben mußte. Es geschah, daß an dem Tage, 
wo es gerade fünfzehn Jahre alt ward, der König und die Königin 
nicht zu Hause waren und das Mädchen ganz allein im Schlosse 
zurückblieb. Da ging es aller Orten umher, besah Stuben und 
Kammern, wie es Lust hatte, und kam endlich auch an einen 
Turm. Es stieg eine enge Treppe hinauf und gelangte zu einer 
kleinen Tür. In dem Schlosse steckte ein verrosteter Schlüssel, 
und als es umdrehte, sprang die Tür auf. Da saß in einem 
kleinen Stübchen eine alte Frau, die von des Königs Befehle 
nichts gehört hatte, und spann emsig ihren Flachs. „Ei, du altes 
Mütterchen," sprach die Königstochter, „was machst du da?" 
„Ich spinne," sagte die Alte und nickte mit dem Kopfe. „Wie 
das Ding so lustig herumspringt!" sprach das Mädchen, nahm 
die Spindel und wollte auch spinnen. Kaum hatte sie aber die 
Spindel angerührt, so ging der Zauberspruch in Erfüllung, und 
sie stach sich damit. 
3. In dem Augenblicke aber, wo sie den Stich empfand, fiel 
sie auch nieder in einen tief Schlaf. Uub dieser Schlaf verbreitete 
sich über das ganze Schloß. Der König und die Königin, die 
eben heimgekommen waren, singen an einzuschlafen und der ganze 
Hofstaat mit ihnen. Da schliefen auch die Pferde im Stalle ein, 
die Hunde im Hofe, die Tauben auf dem Dache, die Fliegen an 
der Wand, ja das Feuer, das auf dem Herde flackerte, ward still 
und schlief ein, und der Braten hörte auf zu brutzeln, und der 
Koch, der den Küchenjungen, weil er etwas versehen hatte, an den 
Haaren ziehen wollte, ließ ihn los und schlief. Und der Wind 
legte sich, und auf dem Baume vor dem Schlosse regte sich kein 
Blättchen mehr. 
4. Rings um das Schloß aber begann eine Dornenhecke zu 
wachsen, die jedes Jahr höher ward und endlich das ganze Schloß 
umzog und darüber hinaus wuchs, daß gar nichts mehr, selbst 
nicht die Fahnen auf den Dächern, zu sehen war. Es ging aber 
die Sage in dem Lande von dem schönen, schlafenden Dornröschen, 
denn so wurde die Königstochter genannt, also daß von Zeit zu 
Zeit Königssöhne kamen und durch die Hecke in das Schloß dringen 
wollten. Es war ihnen aber nicht möglich; denn die Äste hielten 
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