Full text: Für Klasse IV und III (6tes und 7tes Schuljahr) (Teil 3, [Schülerband])

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solideres unternehmen werde. Die entlassenen Mannschaften begaben sich 
zum größten Teil nach ihren Wohnungen, um sich zur Ruhe zu legen; 
andere eilten nach der durstigen Nacht in die Trinkstuben, der kleinere 
Teil begab sich in den Frühgottesdienst, während der Rest nach deni 
Rathaus lief, um zu hören, was da Neues vorgehe. 
Dort wurde bereits seit vier Uhr verhandelt, und noch immer war 
man unschlüssig, was für Männer in das feindliche Lager zu senden 
seien. Eincin Proteste Christian Wilhelms, des erzbischöflichen Ver¬ 
wesers, schenkte man keine besondere Beachtung, doch hob sich der Mut 
der versammelten Bürgerschaft wieder, als Falkenberg erschien lind 
in warmer Rede ans den baldigen Entsatz durch seinen König hinwies. 
Man ward abermals unschlüssig, und unter dem vielfachen Hin- und 
Herreden, ob Magdeburg kapitulieren sollte oder nicht, verging rasch 
die Zeit. 
Andreas war ärgerlich geworden und hatte deshalb das Beratungs¬ 
zimmer verlassen, doch stürzte er alsbald mit einem Bürger in den Saal 
zurück, und der erstere, der soeben von seinem Posten auf dem Walle 
kam, meldete totenbleich: 
„Auf den Feldern wimmelt es von Reitern, in die Neustadt rückt 
eine ungeheure Menge Kriegsvolk ein!" 
„Außerdem," fügte Andreas hinzu, „haben die Wächter auf dem 
Dom- unb Jakobiturm angezeigt, daß die Kaiserlichen aus allen Lagern 
sich stark nach der Sudenburg und Neustadt ziehen und hinter den 
Approchen und stehengebliebenen Mauern Posto fassen." 
Allgemeine Bestürzung! Nur Falkenberg schien gefaßt und ant¬ 
wortete kurz: 
„Ich wünschte, daß die Kaiserlichen sichs unterstehen und stürmen 
möchten; sie sollten so empfangen werden, daß es ihnen übel gefiele!" 
Und ruhig fuhr er in seiner Rede fort, die Übergabe Magdeburgs zu 
widerraten. 
Da plötzlich drang ein schauerlicher, langgedehnter Ton zu den 
Ohren der hoch aufhorchenden Versammlung. Der Türmer zu St. Jo¬ 
hannes hatte in das Lärmhorn gestoßen, und als einige der Ratsherren 
an die Fenster eilten, sahen sie auf dem Turme die tveiße Kriegsfahne 
wehen. Gleichzeitig erhob sich auf der Straße das Angstgeschrei: „Die 
Kaiserlichen sind in der Stadt! Gott erbarme sich unser!" 
Der Bürgermeister Otto von Guericke war der erste, welcher hinaus¬ 
eilte, um zu sehen, was eigentlich vorgehe. 
„Wo ist denn der Feind?" ries er einigen fliehenden Bürgern zu, 
tvelche nach der Fischerstraße deuteten; und in der That stieß Guericke 
dort bereits auf eingedrungene Kroaten, die mit dem Stürmen und 
Plündern der Häuser beschäftigt waren. Sofort stürzte er nach dem 
Rathause zurück und überbrachte der Versammlung die ganz unglaublich 
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