Full text: [Teil 4 = Kl. 6, [Schülerband]] (Teil 4 = Kl. 6, [Schülerband])

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— „Meine Macht ist groß, aber sie ist nicht so groß, wie Ihr 
wähnt," wandte der Kaiser ein. — „Meine Feinde rüsten zu neuen 
Kämpfen — ich habe nicht die Mittel, um Gegenrüstungen zu treffen, 
solange noch andere Verpflichtungen auf mir ruhen. Hier in Augsburg 
wohnt ein Bürger, der ist mächtiger als der Kaiser; denn der Kaiser ist 
ihm verpflichtet und vermag seine Verpflichtungen gegen ihn nicht zu 
erfüllen." — 
Fugger verstand. Er trat beiseite, schloß einen Wandschrank auf und 
holte einige Papiere heraus. Es waren Wechsel und Schuldverschreibungen 
im Werte von zweimalhunderttausend Goldgulden. Die hielt er dem 
Kaiser vor die Augen. 
„Erkennen Ew. Majestät diese Schrift?" 
Der Kaiser atmete schwer. — „Wie sollte ich sie nicht erkennen? — 
es ist meine eigenhändige Unterschrift, dazu mein kaiserliches Jnsiegel," 
antwortete er finster. 
„Erkennen Ew. Majestät mir und mir allein das Eigentum an 
diesen Schriften zu?" 
— „Mit allen Rechten, die dem Gläubiger aus dem Besitze einer 
gerechten Schuldverschreibung erwachsen." 
„Nun denn, dann lebt in Augsburg kein Mann, dem Ew. Kaiser¬ 
liche Majestät verpflichtet wäre." Mit diesen Worten übergab der hoch¬ 
sinnige deutsche Bürger die Papiere der hell aufflackernden Kaminflamme, 
die sie begierig verzehrte. 
Die Fugger blühen noch heute als ein hochangesehenes und reich¬ 
begütertes Geschlecht in vielen Zweigen und Sprossen in Süddeutschland 
fort, und das Habsburgische Kaiserhaus herrscht noch mächtig und hoch¬ 
geehrt über ganz Österreich und Ungarn. Aber sowohl den Reichtum der 
Fugger als die Macht der Habsburgischen Kaiser überdauern wird das 
Andenken an den Edelmut des Bürgers der freien Reichsstadt, der einen 
guten Teil seines Reichtums freudig zum Opfer brachte, um seinen Kaiser 
von einer schweren Sorge zu befreien. 
75. Me SiralZburg verloren ging. von frit* cienhard. 
Der Raub Straßburgs. 2. Auflage. München o. J. 8. 57. 
war in der Nacht zum 28. September 1681. Die alte deutsche 
Reichsstadt am Rhein lag in mildem Mondlicht und tiefem Schlummer. 
Der Wächter auf der Plattform des Münsters lehnte behaglich am 
Geländer und sah in die stille Nacht; ein Nachtwächter stieß ins Horn 
und sang mit schläfriger Stimme die Stunde ab. Es war zwei Uhr 
morgens. Da wurden vom Rhein her dumpfe Töne wach. Lichter fackelten 
dort draußen hin und her; einige Schüsse fielen. Was war das? — Der 
Wächter auf dem Münsterturm gähnte, und der Torwart des Metzger-
	        
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