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„So zieht mir Gott dort für den Kittel —
Er hat's dem Stieglitz ja gethan —
Wohl auch das Kleid der Ehren an." . . . , ,
' Friedrich Kind.
115. Der Storch.
Nicht von den Kindern allein wird der Storch als ein guter
Freund angesehen und durch zahlreiche Berschen angesungen und ange¬
rufen, auch die Alten freuen sich mit, wenn nach langer, trüber Winter¬
zeit der Storch wiederkommt und den nahen Frühling ankündigt. Zwar
hat er gar oft noch Schneewetter und schlimme Tage zu erdulden; aber
endlich kommt doch der Frühling, der den Storch zurückgelockt hat aus
weiter Ferne nach seinem heimischen Neste auf irgend einem Schorn¬
stein hoch über den Dächern der Nachbarschaft oder auf einem hohen
Baume. Wie lustig ist es dann anzusehen, wenn er klappernd oben
steht, oder wenn er mit ausgebreiteten Flügeln dahinzieht den Wiesen
zu oder in diesen auf langen Stelzen umherstolziert und unter den
Fröschen Schrecken verbreitet.
Ende März oder Anfang April, je nach der Witterung, kommt
der Storch, um nach seinem Neste zu sehen. Gewiß ist er von der
weiten Reise recht ermüdet und muß sich erst einige Tage erholen.
Dann fliegt er wieder fort, um seiner Hausfrau Nachricht zu bringen.
Nach einiger Zeit kommen dann beide und bessern gemeinsam das Nest
aus, teilen sich in das Brutgeschäft, wechseln ab im Suchen der
Nahrung für sich und die Jungen und leben in Eintracht in ihrem
hochgelegenen Schlosse. Vor dem Menschen fürchten sie sich nicht, sie
wissen, er ist ihr Freund; kommt aber ein Feind, so verteidigen sie
Nest und Junge aufs mutigste.
Ein Storchnest mit Jungen wurde von einem Adler angegriffen,
der offenbar großen Appetit nach den zarten Braten hatte. Aber die
Alten warfen sich mutig dem Feinde entgegen. Ein heftiger Kampf
entbrannte; aber der mächtige Feind wollte nicht weichen. Die Störche
bissen und stachen nach ihm mit dem Schnabel, schlugen mit den Flügeln,
und als der Adler immer nicht abziehen wollte, breitete der Storch seine
Flügel über die Jungen, die sich ängstlich zu einem Haufen zusammen¬
geschmiegt hatten, und stieß mit seinen langen Beinen den Angreifer
weg; der andere Storch trat ihm auf den Rücken, bis es ihm endlich
gelang, ihn auf die Erde zu werfen. Damit aber war der Kampf nicht
beendet. Nun hatten die Störche die Oberhand; am Fuße des Baumes
fielen sie über den Adler her. Hieb auf Hieb mit den Schnäbeln traf
den Kopf des Adlers, der auf dem Rücken lag und den Angreifern die
scharfen Krallen seiner Fänge entgegenstreckte. Da plötzlich raffte sich
der Adler auf und ergriff rasch die Flucht.