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alt und jung, vornehm und gering. Einige Ratsherren, Freunde der
beiden, traten freundlich grüßend hinzu, und der ältere, ein Mann mit
greisem Haar und Bart, sprach: „Freund Hermann, Euer Schiff ist schier
schwer bepackt und beladen; Ihr habt doch nicht zu viel gewagt? Denn
weit ist der Weg und gefährlich die Fahrt, und unser Jansen ist eben
auch keiner der Jüngsten mehr." Herr Hermann zuckte die Achseln und
sprach: „Der Jansen hat's auf sich; ihm, seiner Treue, Kenntnis und
Geschicklichkeit hab' ich vertraut und alles überlassen." Aber Jansen
antwortete munter: „Laßt's Euch nicht anfechten, Ihr Herren! Es ist
das dritte Mal, daß ich die Fahrt mache, und aller guten Dinge sind
ja drei; darum hoffe ich fest, wir sehen uns gesund und freudig wieder;
wir haben ja das Sprichwort: Gott verläßt keinen Deutschen — und
den alten Jansen nun schon einmal gar nicht; darum lebet wohl!"
Da donnerte der erste Signalschuß zur Abfahrt, und das Boot,
das ihn einnehmen sollte zur Abfahrt nach dem Schiffe, war eben ge¬
landet. Der ehrliche Jansen drückte seinem Herrn noch einmal kräftig
beide Hände, ein paar Thränen träufelten doch dem alten Knaben in
den Bart, und er stieg ein. Die Musik ertönte lebhafter; leicht hin¬
tanzend über die spiegelglatte Fläche, langte schnell das Boot am Schiffe
an. Die Leiter ward herabgelassen; hinauf stieg Jansen; schnell ward
die Leiter zurückgezogen, eben so schnell der große Anker aufgewunden
und das Boot befestigt; und nun donnerte der letzte Kanonenschuß zur
Abfahrt. Alle Wimpel flaggten, und stolz flog das Schiff dahin, alle
Segel gebläht vom günstigsten Winde; vom Verdeck winkte noch einmal
Jansen mit dem Tuche das letzte Lebewohl, und bald war das Schiff
dem Auge kaum mehr sichtbar. Die Menge verlies sich, und die Herren
schritten unter freundlichen Gesprächen ihren Wohnungen zu.
Drei Vierteljahre waren seitdem verflossen, und kein Jansen kam
zurück noch irgend eine Nachricht von ihm; wohl aber hatten sich dunkle
Gerüchte von deutschen Handelsschiffen, welche in der Gegend von Neu-
Amsterdam gescheitert seien, verbreitet. Immer bedenklicher wurde die
Miene des Herrn Hermann und immer sorgenvoller seine Stirn. Einen
großen Verlust nach dem andern hatte er erlitten durch den Fall mehrerer
Handelshäuser zu Braunschweig, Nürnberg, Augsburg und Ulm, und
täglich noch trafen Unglücksbriefe ein. Herr Gruit war eben daran, die
Bilanz zu ziehen, darum war's im Comptoir stille wie im Grabe; kaum
hörte man einen Atemzug oder das leise Schnarren der Federn der
emsig schreibenden Commis, die nur manchmal ängstlich die Augenlider
hoben, ohne ihre Körperstellung zu verändern, wenn ein schwerer Seufzer
des Herrn Gruit wie ein klagender Geist durchs Zimmer klang oder
ein großer Schweißtropfen von der gefalteten Stirn auf das Papier
niederfiel. Endlich schlug der Herr die Augen auf, sah starr nach dem
ihm gegenüber hängenden Bilde seines Vaters, und eine große, schwere