Full text: Quellenbuch zur deutschen Geschichte von 1815 bis zur Gegenwart (Nr. 34)

Mit frohen, dankerfüllten Herzen gegen Gott, der 
uns den Sieg verlieh, traten wir den Rückweg an und 
fanden im Wagen nach sechsuuddreißigstündigem Wachen 
einen gesunden Schlaf. Meine Pferde hatten neun Meilen 
gemacht, der Rappe elf. Abends sechs Uhr dinierten wir 
bei Prinz Albrecht. Dann noch mußte die nötige Schrei¬ 
berei besorgt werden. 
Ich habe Dir vorstehend eine Beschreibung der Weg¬ 
nahme von Alfen gegeben, die keinen offiziellen Bericht, 
sondern die Anschauung eines Augenzeugen enthält, wobei 
die Darstellung immer an Frische gewinnt. Wenn Du 
glaubst, daß sie auch andere interessiert, so habe ich nichts 
dagegen, daß Abschriften genommen werden, in welchen 
einige Personalien weggelassen und ich nicht genannt 
werde. 
64. Moltke an seinen Bruder Adolf. 
Berlin, den 20. Mai 1866. 
Ich benutze ein paar freie Augenblicke, um Dein 
Schreiben vom 16. d. M. zu beantworten und für Deine 
Teilnahme zu danken. 
Ja wohl ist es eine ernste Zeit. Der Krieg ist un¬ 
vermeidlich. Ich glaube nicht, daß es in eines Menschen 
Hand liegt, ihn zu vermeiden. Die Geschicke Deutschlands 
werden sich jetzt vollziehen. Der Sonderungstrieb, wel¬ 
chen seit Tacitus die Deutschen bewährt haben, führt 
zur Entscheidung durch das Schwert. Es hat uns ein 
Ludwig XI. gefehlt, der die Macht der Vasallen in Frank¬ 
reich noch zur rechten Zeit zu brechen wußte. Es mag wohl 
wahr sein, was die österreichischen Blätter behaupten, daß 
zwei Großstaaten in Deutschland nebeneinander nicht be¬ 
stehen können. Einer von beiden muß untergehen. Der 
Kampf wird furchtbar werden. Österreich hat gerüstet wie 
nie zuvor, und auch wir stellen unsere ganze Macht ins 
Feld. Jedenfalls zahlt Deutschland mit Provinzen rechts 
und links an seine Nachbarn.
	        
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