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sie zu tragen und zu verwahren, wahrend ich dieser Last über¬
hoben bin." Christ. Friedr. Daniel Schubart.
64. Das erheiterte Mahl.
Ein reicher Gutsbesitzer, der den benachbarten Bauern ansehnliche
Summen vorgestreckt hatte, lud während einer Theuerung seine ärmeren
Schuldner, da die Jahreszinsen eben fällig waren, zu sich zum Essen
ein. Sie erschienen alle nrit schwerem Herzen, da sie glaubten, er
wolle die Zinsen von ihnen einfordern. Der Wirth empfing sie
freundlich und zuvorkommend, und das Mahl ward reichlich und
glänzend aufgetragen; aber dennoch war weder Appetit noch Fröh¬
lichkeit unter den Gästen. „Ich sehe wohl, ihr lieben Leute",
sagte der Wirth, „warunr euch das Essen nicht schmecken will; aber
hier habt ihr ein Mittelchen, das euern Magen schon stärken wird."
Er gab ihnen daraus einen Zettel, der die unterschriebene Quittung
für ihren Jahreszins enthielt, den sie damals nicht ohne die äußerste
Noth hätten abtragen können. Die entzückten Schuldner dankten ihren:
Wohlthäter mit Freudenthränen, nnb nun erst wurde das Mahl heiter
und die Speise wohlschmeckend.
65. Der Tagelöhner.
In einem ansehnlichen Hause arbeitete oft ein Tagelöhner, der
überall das Lob eines fleißigen nnb rechtschaffenen Mannes hatte.
Einst spaltete er in kurzen Wintertagen Holz. Als der Abend
hereinbrach, gab ihm der Hausherr seinen Tagelohn, und zwar so
viel, als er sonst in längeren Tagen bekam. Er zählte das Geld und
sagte: „Das ist zu viel; so viel habe ich heute nicht verdient." Auf
die Antwort, es solle ihn: dennoch gegeben werden, nahn: er es mit
sich. Einige Tage nachher hörte man am Abend, da es sehr heller
Mondschein war, jemand int Hofe Holz spalten. Es tvird einer
hinausgeschickt, um zu sehen, wer es sei; und siehe, es ist der alte
ehrliche Tagelöhner, der auf die Frage, warunr er jetzt die Arbeit
verrichte, zur Antwort gibt: „Ei, ich habe neulich mehr Tagelohn
bekommen, als ich verdient hatte; den will ich nun verdienen."
66. Pabst Sixtus V.
Ein Knabe mußte wegen Dürftigkeit seiner Eltern bei einenr
Bauern in Hirtendienst treten. Eines Tages erblickte er auf der
Weide einen Franziskanernrönch, der sich von: Wege verirrt hatte.
Er lief ihm eiligst nach, bannt er ihn wieder zurechtführe. Der
Mönch hatte Freude an dem Knaben, und die lernbegierigen Reden
desselben gefielen ihn: so sehr, daß er ihn nach Ascoli mitnahm und
dort auf die Schule schickte. Seine Fortschritte waren erstaunlich,
nnb seine Lebensart erwarb ihm hohe Achtung. Er trat später in
den Franziskanerorden, wrrrde Professor der Gottesgelehrtheit, dann