15. Der Schenk
1. Zu Limburg auf der Feste,
Da wohnt ein edler Graf,
Den keiner seiner Gäste
Jemals zu Hause traf;
Er trieb sich allerwegen
Gebirg und Wald entlang;
Kein Sturm und auch kein
Regen
Verleidet' ihm den Gang.
2. Er trug ein Wams von
Leder
Und einen Jägerhut
Mit mancher wilden Feder;
Das steht den Jägern gut.
Es hing ihm an der Seiten
Ein Trinkgefäß von Buchs;
Gewaltig konnt' er schreiten
Und war von hohem Wuchs.
3. Wohl hatt' er Knecht und
Mannen
Und hatt' ein tüchtig Roß,
Ging doch zu Fuß von dannen
Und ließ daheim den Troß;
Es war sein ganz Geleite
Ein Jagdspieß stark und lang,
An dem er über breite
Waldströme kühn sich schwang.
4. Nun hielt auf Hohen¬
staufen
Der deutsche Kaiser Haus;
Der zog mit hellen Haufen
Einstmals zu jagen aus.
Er rannt' auf eine Hinde
So heiß und hastig vor,
von Limburg.
Daß ihn sein Jagdgesinde
Im wilden Forst verlor.
5. Bei einer kühlen Quelle
Da macht' er endlich halt;
Gezieret war die Stelle
Mit Blumen mannigfalt.
Hier dacht' er sich zu legen
Zu einem Mittagschlaf,
Da rauscht es in den Hägen,
Und stand vor ihm der Graf.
6. Da hub er an zu schelten:
„Treff ich den Nachbar hie?
Zu Hause weilt er selten,
Zu Hofe kommt er nie;
Man muß im Walde streifen,
Wenn man ihn sahen will;
Man muß ihn tapfer greifen,
Sonst hält er nirgends still."
7. Als drauf ohn' alle Fährde
Der Graf sich niederließ
Und neben in die Erde
Die Jägerstange stieß,
Da griff mit beiden Händen
Der Kaiser nach dem Schaft:
„Den Spieß muß ich mir pfänden;
Ich nehm' ihn mir zur Haft.
8. Der Spieß ist mir verfangen,
Des ich so lang begehrt;
Du sollst dafür empfangen
Hier dies mein bestes Pferd;
Nicht schweifen im Gemälde
Darf mir ein solcher Mann,
Der mir zu Hof und Felde
Viel besser dienen kann."