Full text: [Abt. 3 = Quarta, [Schülerband]] (Abt. 3 = Quarta, [Schülerband])

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„Es wird sehr schön, Bootsmann!" Wenn sie aber alle beieinander waren, 
sagten sie alle: „Es wird nichts." 
An einem ruhigen Herbsttage schleppte er das neue Boot ins Wasser. 
Sie standen alle am Ufer und sahen zu. Und wie es so geht: der erste 
Versuch mißlang: es hing schief, es tanzte wie ein Blatt im Winde, es 
schlug um. Er mußte weit und mühsam schwimmen. Am Ufer wurde er 
empfangen mit dem lauten, jubelnden Hohn, mit dem man allezeit die 
Erfinder, ob Dichter, Techniker oder Staatsmänner, empfangen hat, die 
verunglückten. 
Er ging nicht hin und erhängte sich. Aber es kam ein starker, grimmiger 
Zorn über ihn: er setzte sich seinem Herdfeuer gegenüber auf den Feld¬ 
stuhl und saß so wochenlang. 
Doch stand er jeden Abend, wenn die Dämmerung da war, auf und ging 
in Sturm und Schnee bis in die halbe Nacht und kämpfte mit dem Wolf 
um den Hasen und das Huhn und mit der Otter um den Fisch und ver¬ 
schaffte sich so die notdürftige Nahrung und wurde wetterhart und stark 
und klug im Vor- und Seitensprung. So trieb er es bis in die Mitte des 
Winters. 
Da vermißten ihn die Leute der Siedelung. Denn seit der lustige 
Baldermann,'der noch im weißen Haar in jedem Frühling den Mädchen 
neue Reigenlieder gesagt hatte, tot war, hatte der junge Bootsmann 
genau den Tag bestimmt, wann die Sonne sich zum Frühling wandte. 
Dann hatten sie auf sein Wort das Julfest gefeiert. Sie schickten also einen 
zu ihm hin, der hatte ein freundliches Wort im Munde und das Hinter¬ 
viertel eines Kalbes in der Hand. Aber kaum sah der Bootsmann den 
Eintretenden, da sprang er auf und warf ihn lautlos hinaus. Das Hinter¬ 
viertel flog hinterher. 
Da feierten sie das Julfest, indem sie sich auf das Wort der alten Mutter 
Gruhle verließen, welche sagte, jetzt müsse die Zeit des Festes da fein; 
denn sie Hütte nur noch fünf Töpfe Schwarzsauer unterm Open *) stehen, 
und um die Zeit Hütten sie immer das Fest gefeiert. 
Als sie nun das Fest begingen und ziemlich tranken und nach der Ge¬ 
wohnheit, die sie damals schon hatten, anfingen, von Hütte zu Hütte zu 
gehen, da hatten sie den trunkenen Mut, auch zu Bootsmann hinabzu¬ 
steigen. Sechs Mann stolperten in seine Hütte und schwenkten mit Gröhlen 
ihre Kuhhörner. Bootsmann sah sie erst rundum an, plötzlich aber sprang 
er auf und warf sie zu zweien aus der Hütte, daß sie, Füße voran, über 
das Eis des Baches rutschten. 
Da wurde es allen bedenklich; denn noch nie war es im Lande vor¬ 
gekommen, daß einer die Julfreude verschmäht hatte. 
x) Der spitze und immer dunkle Winkel, den Fußboden und Strohdach bilden.
	        
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