Full text: [Abt. 2 = Für Quinta, [Schülerband]] (Abt. 2 = Für Quinta, [Schülerband])

252 
B. Veschreibende Prosa. VII. Geographische Bilder. 
87. Bethanien. 
Von Gotthilf Heinrich von Schubert. Reise in das Morgenland. Erlangen, 1839. 
Von der Grabeskirche bei Gethsemane wandten wir uns neben 
dem Kidronthale hin nach dem Dorfe Bethanien, in welchem Lazarus 
mit seinen Schwestern Maria und Martha wohnte. Links vom Wege 
liegt das Dörflein, das selbst noch in seiner jetzigen Gestalt als einer 
der lieblichsten Orte des Landes erscheint. Es hegt seitwärts von der 
Heerstraße im Schutze der Berge, umgeben von hohen Bäumen, die 
gegen Westen hin einen Wald von Gaͤrten bilden. In ihrem dichten 
Schatten grünen der Fels und die Haufen der Trümmer. Versunkenes 
Gemäuer, das, wie man glaubt, zu des Lazarus Hause gehörte, und 
eine tiefe Felsenkammer, in die man nahe bei der lleinen Moschee den 
Pilgrim als zu Lazarus' Grabe hinabführt, erinnern hier an den, der 
als Sieger auf dem Staube des Grabes stand und sich kundgab als 
die Auferstehung und das Leben. 
Noch jetzt wohnt diesem Dörflein ein Reiz inne, der es zu einem 
Lieblingsorte der fremden Pilgrime macht. An keinem Orte der Um— 
gegend von Jerusalem sahen wir so viele Wallfahrer aus den ver— 
schiedensten Gegenden des Morgenlandes einträchtiglich versammelt wie 
hier. Im Schatten der Bäume saßen Eltern und Kinder, Freunde bei 
Freunden oder auch Unbekannte bei Unbekannten und genossen die leib— 
lichen Erquickungen, die ihnen das kleine arabische Dorf zu ihrem 
Mittagsmahle bieten konnte. Wie sollte auch der Anblick von Betha⸗ 
niens alten Gemäuern den Pilger nicht rühren? Die Stunden des 
Ausruhens in Lazarus' und Marthas und Marias Hause sind längst 
vorübergezogen; die Liebe aber, die sich da zu dem Geschlecht der sterb⸗ 
lichen Menschen gesellte, wohnet noch immer über dem Thaͤle wie über 
den Hügeln; denn sie gründet tiefer als die Tiefe, spanuet höher als 
die Höhe und ist bleibender denn Thal und Hügel. 
88. Der Olberg. 
Nach Gotthilf Heinrich von Schubert. Reise in das Morgenland. Erlangen, 1839. 
Wir traten zu demjenigen Thore Jerusalems hinaus, welches zum 
Andenken an den ersten der Blutzeugen das St. Stephansthor genannt 
wird. Unter uns im Thale lag Gethsemanes Garten, vor uns der 
grünende Olberg mit seinen drei Gipfeln. Eine steinerne Brücke führt 
über den jetzt ganz wasserlosen Bach Kidron; dann eröffnet ein durch 
den Felsen gehauener, durch eine Thür verschließbarer Gang die Bahn 
zu dem Thale Gethsemanes, auf welches uralte Olbäume zur Rechten 
und der überhangende Fels zur Linken dichte Schatten werfen. Nahe 
bei Gethsemanes heiligem Felsendunkel ist der Olgarten. Hier stehen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.