Full text: [Teil 1, Abt. 2 = (Für Quinta), [Schülerband]] (Teil 1, Abt. 2 = (Für Quinta), [Schülerband])

Steffens: Friedrich Wilhelms III. Tod. 
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deren Glieder als Muster häuslicher Tugenden dem ganzen Lande vor¬ 
leuchteten. Alle häusliche Ordnung schien aufgehoben; der geringste 
Mann hatte das Recht erhalten den höchstgestellten unbefangen an¬ 
zureden, denn derselbe Schmerz stellte alle gleich. 
Der König starb; es war der erste Pfingsttag. Am Nachmittage 
verließ ich das Haus; mir kamen die Straßen wie verändert vor; ein 
jeder ging still, stumm, wie in sich versunken; die Glocken läuteten. 
Auf dem großen Platze, den ich quer durchschnitt, erblickte ich einzelne 
Truppenabteilungen, die waffenlos, langsam, still und feierlich sich 
fortbewegten. Der Platz war fast leer, und einzelne, die sich blicken 
ließen, schlichen sachte fort. Es war, als hätte der Tod, der den König 
abrief, alle getroffen. 
Die geschichtliche Bedeutung unseres verstorbenen Königs wird nie 
recht begriffen, wenn man nicht das Familienleben desselben zum 
Staatsleben erweitert, letzteres aber zum Familienleben zusammen¬ 
gedrängt zu fassen vermag. Es ist bekannt, welche nicht bloß könig¬ 
liche, sondern echt hausväterliche Gewalt er über seine Umgebung aus¬ 
übte, wie sein stilles, wohl auch verschlossenes Wesen wahrhaft fromm 
und von tiefer Milde durchdrungen war. Wer das Glück hatte, sein 
Vertrauen zu besitzen, der ward von ihm nicht bloß äußerlich beherrscht, 
eine stille Gewalt zog ihn auch innerlich an, und wenige Könige wurden 
von ihrer Umgebung so tief geliebt. Er war geboren, eine unruhig 
bewegte, leidenschaftliche Zeit zu beruhigen, und nie hat der Haus- 
sriede, hervorgerufen durch einen stillen, ernsten, stumm gebietenden 
Hausvater, eine so große europäische Bedeutung erhalten wie durch ihn. 
Alle fremden Völker ehrten seine reine Gesinnung, seine strenge partei¬ 
lose Gerechtigkeit, und die Stellung, die Preußen unter den Staaten 
Europas einnahm, ward, wenngleich nie auf eine auffallende Weise, 
durch seine Persönlichkeit bestimmt. 
B. 
Beschreibende Prosa. 
VI. Katurbilder. 
101. Die Roßkastanie. 
Nach Hermann Masius. Naturstudien. Leipzig, 1852 und Emil Adolf Roß- 
mäßler. Flora im Winterkleide. Leipzig, 1853. 
Die Roßkastanie gehört ursprünglich einer milderen Zone an, und 
ihre Heimat ist nach einigen Persien, nach anderen die thessalische 
Stadt Kastanea. Mit mehr als gewöhnlicher Vorsicht verhüllt dieser 
schöne Baum die zarten Keime seiner aus 5 oder 7 Blättchen zusammen-
	        
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