Full text: Für die beiden unteren Klassen der Gymnasien und Realschulen (Teil 1, [Schülerband])

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Brutraum darzustellen scheint, wird ein zweiter, weit größerer Kegelmantel 
von ungefähr einem Meter Durchmesser errichtet, der vorn weit offen steht, 
und vor diesem Doppelhaus legt der Vogel einen Garten an, indem er 
einen ziemlich großen Platz von allem Graswuchs reinigt und auf das 
zierlichste mit grünem Moos überpolstert, auf das er alle durch Farbe und 
Form auffälligen Gegenstände, die er zusammenzuschleppen vermag, bunte 
Blumen, scharlachrote Beeren ic. niederlegt. Dies Wundernest imponiert sogar 
den eingebogen, stumpfsinnigen Papuas so sehr, daß sie es nicht zerstören. 
Die Gewohnheit dieser Vögel, ihre Nester zu verzieren, erinnert an die 
bekannte Neigung der Raben und Elstern, blankes Metall, Goldstücke, 
Geschmeide in ihre Brutstätten einzutragen. Auch sonst zeigen manche Vögel 
beim Nestbau eine eigne rätselhafte Vorliebe für gewisse Materialien. So 
bringt der rote Würger gern weiche und wohlriechende Pflanzen in seinem 
Neste an und soll sich einst in einem botanischen Garten durch Wegnahme 
derartiger teilweise seltener Gewächse sehr lästig bemerkbar gemacht haben. 
Was sollen wir aber sagen, wenn manche Vogelarten ihr Nest mit Stücken 
abgestreifter Schlangenhaut außen und innen beziehn? Ist es vielleicht eine 
Erziehungsmaßregel, um die Jungen von vornherein mit dem gefährlichsten 
Feind bekannt zu machen? Wer weiß! 
6. So fleißig die meisten Vögel beim Bauen sind, so giebt es doch 
unter ihnen auch Schlauköpfe, die dahinter gekommen sind, daß es viel bequemer 
ist, andere für sich arbeiten zu lassen, als sich selbst zu plagen und zu placken. 
Die Sperlinge bemächtigen sich gern der Schwalbennester, und dann sollen 
die frechen Eindringlinge gelegentlich von den rechtmäßigen Besitzern eingemauert 
werden. Ein durchaus glaubwürdiger Beobachter erzählt: „Die Einmauerung 
eines Sperlings, der die Besitzer aus dem Neste vertrieben hatte, habe ich 
einst mit angesehen. Eine ziemliche Anzahl von Schwalben bedeckte plötzlich 
das Nest und seine Umgebung, und bald war die Öffnung geschlossen. Aber 
immer kamen neue Arbeiter hinzugeflogen, um den Gefangenen noch besser 
zu verwahren. Der kecke Eindringling wäre Hungers gestorben, wenn ich 
ihn nicht erlöst hätte." Besonders gern schlagen die Spatzen ihre Winter» 
quartiere in den dann leerstehenden Schwalbennestern auf, schmutzen sie aber 
so ein, daß die reinlichen Schwälbchen im Frühjahr lieber neu bauen. Aber 
auch dann kommt es vor, daß der stärkere Spatz einfach die Schwalben¬ 
kinder zum Nest herauswirft und sich selbst hineinzwängt. In Amerika, 
wo man ihn unnützerweise eingeführt hat, macht er's den dortigen Singvögeln 
nicht anders; auch manche andre Vögel verfahren uni nichts besser, — 
solche Gewaltstreiche kommen in der ganzen Welt vor. Leerstehende Horste 
werden häufig von verschiedenen Raubvögeln nacheinander bezogen, als
	        
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