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§ 28. Volksleben im 17. und 18. Jahrhundert. 
leichtsinnige Franzosen waren die Vertrauten der Fürsten. In dem allen 
machten die meisten der Hohenzollernfürsten eine rühmliche Ausnahme. Der 
Große Kurfürst war ein echt deutscher Mann und Friedrich Wilhelm I. ge¬ 
radezu ein Feind alles französischen Wesens. 
3. Der deutsche Adel war durch den Dreißigjährigen Krieg verarmt. 
Mit der Wohlhabenheit schwand bei vielen Adeligen der alt-ritterliche, helden¬ 
hafte Sinn. Nicht mehr im ernsten Waffendienste wuchs der Junker heran, 
sondern er zog nach Paris, um dort französische Sprache und Sitten zu 
lernen. Heimgekehrt zeigte er ganz offen seine Verachtung der guten Sitten 
aus der Väter Zeit und führte ein leichtsinniges, oft lasterhaftes Leben, 
wie er es am französischen Hofe gesehen hatte. Vielfach trieb ihn seine 
verhältnismäßige Armut und die Sucht nach Titeln und Orden an den 
Hof des einheimischen Fürsten, wo er ja im kleinen das fand, was er in 
Frankreich kennen gelernt hatte: Hoffeste im französischen Stile, steife Um¬ 
gangsformen und (für unseren Geschmack) lächerliche Trachten (unförmliche 
Reifröcke der Frauen, große Perücken, kleine Hütchen u. s. w. bei den 
Männern). 
4. Aber auch der Bürgerstand stand nicht mehr auf der Höhe 
früherer Zeit. Viele Häuser, ja, ganze Stadtviertel waren unbewohnt und 
in Ruinen verwandelt. (Wie die Hohenzollernfürsten hierin Wandel schafften, 
siehe in den bezüglichen §§.) Die allgemeine Verarmung gestattete nicht 
mehr die Anschaffung von künstlerisch ausgestattetem Hausrat. Derselbe 
mußte billig beschafft werden, darum wurde er geschmacklos und nüchtern 
hergestellt. Das Kunstgewerbe wurde nicht mehr gepflegt. Die alte 
Ehrenhaftigkeit der Zunftgenossen nahm ab; Unzuverlässigkeit und Fälschung 
raubte dem deutschen Gewerbe sein Ansehen im Auslande. Der Handel 
der süddeutschen Städte und der Hansa war durch die Unternehmungslust 
der Holländer und Engländer überflügelt worden, und so lag auch er da¬ 
nieder. Der frühere Reichtum war verschwunden, und an die Stelle pracht¬ 
voller und stilgerechter Bauwerke traten nüchterne und gleichförmige Häuser¬ 
reihen. Dabei war der Bürger verschwenderisch und leichtsinnig geworden, 
und oft mußten die Landesherren durch Gesetze die allzugroße Üppigkeit 
der Bürger bei Gelagen und in der Kleidung beschränken. 
5. Der Bauernstand verarmte immer mehr und geriet in völlige Ab¬ 
hängigkeit vom Grundherrn (Leibeigenschaft). Ihm aufzuhelfen, ließen sich 
Preußens Könige besonders angelegen sein. Mit großem Eifer schützten sie 
Bürger und Bauern vor den Übergriffen der Beamten und der Grund¬ 
herren, suchten ihren Wohlstand zu heben, schützten sie in ihrem Rechte und 
führten sie wieder auf eine höhere Stufe der Gesittung durch Gründung 
von Volksschulen und Einführung des Schulzwanges. (Vergleiche §29,2; 
§ 30, E, 2 u. 3; § 32, 5!) 
Unglaube und Aberglaube, letzterer namentlich aus den Heerlagern 
des Dreißigjährigen Krieges stammend, machten sich in allen Gesellschafts¬ 
schichten breit und traten in den vielen Hexenprozessen in erschreckender 
Weise zu Tage. Doch fehlte es auch in dieser trüben Zeit nicht an erwecklichen
	        
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