Full text: [Bd. 2, [Schülerband]] (Bd. 2, [Schülerband])

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er solle ein Tedeum hören, wie er es noch nie vernommen habe; baun 
ließ er auf dem Montmartre alle Geistlichen, die weit und breit auf¬ 
zufinden waren, sich versammeln und ein Halleluja singen, daß es weit¬ 
hin in den Straßen von Paris widerhallte. Nach diesem Tedeum trat 
er den Rückzug an. 
Jetzt erst schöpfte Lothar wieder Mut, er folgte den: Kaiser im 
Rücken bis an die Aisne nach, wo dieser eben sein Heer über den an¬ 
geschwollenen Fluß setzte, unb griff den Troß an. Da sandte Otto Boten 
an den König mit dem Anerbieten, derselbe möge entweder sein Heer 
übersetzen — er wolle ihm Geiseln stellen, daß er das imgefährdet tim 
könne — und im offenen Kampfe fich mit ihm messen oder er möge 
ihm Geiseln geben, so wolle er selbst mit seinem Heere über den Fluß 
zurückkehren; wem Gott dann den Sieg bescheiden würde, dem sollte das 
Reich des ^Besiegten als Kampfpreis zufallen. Dies meldeten die Boteii 
des Kaisers dem Könige im Angesichte seines Heeres; kaum hatten sie 
aber ihre Rede vollendet, so brach Graf Goisfried, ein Vasall Lothars, 
in die Worte aus: „Was sollen w i r kämpfen, was sollen so viele von 
uns hier bluten? Laßt die Könige selbst in den Kampf gehen! Wir wollen 
zuschauen und uns dem Sieger dann unterwerfen." Aber der Graf 
Gottfried, einer der Boten des Kaisers, antwortete ihm: „Immer haben 
wir gehört, ihr schätztet euren König gering; aber wir haben es nicht 
geglaubt. Jetzt gesteht ihr es selbst und wir können nicht mehr daran 
zweifeln. Glaubt ihr denn, daß wir Deutsche unsern Kaiser kämpfen 
lassen, während wir die Hände in den Schoß legen? Nimmer soll er in 
Gefahr des Kampfes stehen, während wir von sicherem Orte aus zu¬ 
schauen. Ginge er jedoch mit eurem König in einen Zweikampf, so 
würde er, dessen sind wir gewiß, ihn siegreich bestehen." Fürwahr, eine 
ehrenhafte deutsche Antwort auf das Wort des Franzosen. 
Tie Schlacht unterblieb, der Kaiser führte das Heer in sein Reich 
zurück und entließ es. Nach W. G i e s e b r e ch t. 
81. Die Eroberung Jerusalems. 
Als die Kreuzfahrer um Pfingsten 1099 von Cäsarea über Emaus 
hinziehend den Bergrücken erreichten, wo zuerst Jerusalem sichtbar ward, 
da fielen sie in heißer Andacht auf die Knie, vergossen Freudentränen und 
priesen Gott mit Lobgesängen. Aber die Eroberung der festen und mit 
allen Bedürfnissen reichlich versehenen Stadt, die von einer zahlreichen 
streitbaren Besatzung verteidigt wurde, war eine schwere Aufgabe für 
das geschwächte, ermattete und aller Belagerungswerkzeuge entbehrende
	        
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