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herzlich danken," versetzte die Meise; „aber warum hältst du mich
denn noch in der Hand, wenn du mich erlösen willst?" „Warte nur,
bis wir in die Stube kommen; da will ich dich fliegen lassen." „Ach,"
seufzte die Meise, „bin ich denn dadurch befreit?" „Das Vögelein hat
recht," sagte der Vater, der dazu kam. „Wer eine Wohltat erweisen
will, der nehme mit der einen Hand nicht wieder, was die andere gibt."
Nach I. Man n.
6. König Löwe.
Nachdem der Tiger lange grausam und tyrannisch im Reiche
der Tiere regiert hatte, bestieg der edle Löwe den Thron. Das erste
war, daß einige der vorigen Minister, so der Leopard und die Hyäne,
förmlich abgesetzt, der Wolf, der Fuchs und andere abgedankt
wurden und noch andere den Abschied, jedoch nicht in Ungnaden,
erhielten. Der Elefant, der Bär und das edle Roß waren von der
vorigen Regierung schon außer Tätigkeit gesetzt worden ohne
jedoch förmlich verabschiedet zu sein und baten nun um ihre Ent¬
lassung. „Nein,“ sprach der Löwe, „das sei ferne, daß ibh meine
Regierung der festesten Stützen beraubte. Dem habgierigen, treu¬
losen Gesindel habe ich den Laufpaß gegeben; Klugheit, Stärke
und Raschheit der Ausführung aus meinem Rate zu entfernen, dazu
soll mich nichts bewegen.“ Die frohe Botschaft erscholl durchs
ganze Land und alles rief: „Es lebe der König!“ Nach J. Mann.
7. Der Vogel Strauß.
Vor mehr als tausend Jahren glich der Strauß der Trappe; er
hatte große Flügel, mit denen er sich in die Lust erheben konnte, und
war auch nicht scheu, denn er liebte die Menschen und hielt sich gern
in ihrer Nähe aus. Einst sprach zu ihm die Trappe: „Lieber Bruder,
morgen wollen wir zum Fluß fliegen, baden und trinken, so Gott will!"
Der Strauß antwortete: „Ja, das wollen wir tun," aber er setzte nicht
hinzu: „So Gott will!" Denn da er gar stark und schön war, so
schien ihm auch weiter nichts zu fehlen. Darum war er hochmütig und
vertraute auf seine eigene Kraft und Stärke. k I
Am andern Morgen rüsteten sich die zwei Vögel zur Reise, und
als sie aufflogen, sagte die Trappe: „In Gottes Namen!" Aber der
Strauß hob sich stolz empor und sagte nichts; denn er dachte: „Was
brauche ich fremde Hilfe? Ich bin allein stark und mächtig genug."