Full text: [Teil 5 = Kl. 5 (6. Schuljahr), [Schülerband]] (Teil 5 = Kl. 5 (6. Schuljahr), [Schülerband])

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und das Rauschen seidener Kleider zu vernehmen. Im Sommer, 
wenn sein Laub dicht und staubig, seine Luft stickig geworden und 
alle Gänge von Kindergeschrei widerhallen, wird der Tiergarten 
spießbürgerlich-ordinär. — jetzt im Mai ist er voll vornehmer, 
intimer Reize. 
Aber der Berliner ist nicht allein auf ihn angewiesen, es gibt 
noch viele Parks, öffentliche und private, bekannte und unbekannte, 
in nächster Nähe der Stadt . . . Da ist zuerst der Dottische Park 
in Lichtenberg. Lichtenberg ist einer von den wenigen Berliner 
Vororten, die sich noch ländliche Anmut bewahrt haben. Hat man 
den volkreichen Osten und die Gelände des Zentralviehhofs hinter 
sich, so taucht am Ende der Eldenagerstraße der spitze Turm der 
alten Dorfkirche aus einem Meer von Blütenbäumen auf. Die 
Dorfstraße beschatten herrliche alte Linden, und die kleinen, meist 
schlichten Landhäuser liegen in großen Gärten. Sie gehören reich 
gewordenen Bauern oder Gärtnereibesitzern, einige neue, elegante 
Villen einigen Berliner Großschlächtern, die sich hier mit Vorliebe 
ansiedeln. 
Aber auch eine romantische Vergangenheit hat Lichtenberg. 
In jener vornehmen Villa der Dorfstraße, die an das Potsdamer 
Marmorpalais erinnert, hatte einst die preußische Pompadour, 
die Gräfin Lichtenau, ihren Sommersitz. Später residierte hier 
die Prinzessin Friedrich, die Mutter des Prinzen Georg; jetzt ge— 
hört die Besitzung einem gut bürgerlichen Herrn Schultze. Wandel 
der Zeiten! 
Weiter oben im Dorfe, bei der neuen Schule, ist der Eingang 
zum Dottischen Park. Der jetzige Besitzer, der bekannte Berliner 
Großindustrielle, hat herrliche Gartenanlagen geschaffen, aber die 
wundervollen alten Bäume stammen noch aus der kurfürstlichen 
Zeit. Unter ihnen erhebt sich das älteste Denkmal Friedrichs des 
Großen, das ihm der damalige Besitzer des Gutes, Feldmarschall 
von Möllendorf, setzen ließ. Es ist ein Obelisk mit dem Relief des 
großen Königs und der Aufschrift: „Friedrich dem Einzigen“. 
Wohl mag er öfters unter diesen Bäumen gewandelt sein, denn 
das mit Lichtenberg zusammenhängende Dorf Friedrichsberg war 
ja seine eigene Schöpfung. 
Reicher aber sind die Traditionen, die an Schloß und Park 
des benachbarten Friedrichsfelde anknüpfen. Das Dorf selber hat
	        
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