Full text: [Teil 3 = Quarta, [Schülerband]] (Teil 3 = Quarta, [Schülerband])

25. In einem deutschen Kloster um das Jahr 1000. 129 
seinem Tode im Kloster niedergesetzt wurden, der aber seitdem 
durch zahllose Wunder den Ruhm der Stätte erhöhte. Als das 
größte von seinen Wundern rühmten die Leute, daß in der ein¬ 
samen Landschaft ein mächtiges Menschenwerk entstanden war, 
Türme und hohe Kirchgiebel, um diese herum eine große Zahl 
von Gebäuden aus Stein und Lehm, deren wettergrane Holz- 
dächer wie Silber in der Mittagsonne glänzten. Was man 
Kloster nannte, war in Wahrheit eine feste Stadt geworden, 
durch Mauern, Pfahlwerk und Graben von der Ebene geschieden. 
Länger als zweihundert Jahre hatten die Mönche gebetet, um 
den Gläubigen Heil und guten Empfang in jenem Leben zu be¬ 
reiten ; dafür waren sie selbst reich geworden an irdischem Grund¬ 
besitz, den ihnen fromme Christen in der bittern Sorge um das 
Jenseits gespendet hatten. Die Burgen, Dörfer und Weiler, 
welche ihnen gehörten, lagen über viele Gaue verteilt, nicht nur 
im Lande der Hessen, auch unter Sachsen und Baiern, vor allem 
in Thüringen. Ein guter Teil des Kirchengutes, das Bonifazius 
erworben hatte, darunter die ersten Schenkungen, welche die Wald¬ 
leute in Thüringen zur Heidenzeit gemacht, gehörten jetzt dem 
Kloster: und wenn der Abt seine Lehnsleute und Hintersassen zu 
einer Kriegsfahrt aufrief, so zogen sie dem Lager der Sachsen¬ 
kaiser zu als ein Heer von Reitern und Fußvolk, in ihrer Mitte 
der Abt als großer Herr des Reiches mit einem Gefolge von 
edlen Vasallen. Länger als zweihundert Jahre hatten die Brüder 
auch mit Axt und Pflug gegen den wilden Wald und das wilde 
.Kraut gekämpft, hatten unermüdlich die Halmftucht gesäet, Obst- 
bäume geflanzt und Weingärten eingehegt. So waren sie all¬ 
mählich große Landbauer geworden; nach Tausenden zählten sie 
ihre Hufen, ihre zinspflichtigen Höfe und die Familien der un- 
fteien Arbeiter. Jetzt saßen sie in der Fülle guter Dinge als 
eine Genossenschaft von hundert und fünfzig Brüdern zwischen 
gefüllten Scheuern und springenden Herden, sahen vergnügt über 
die reiche Habe und ordneten selbst als umsichtige Landwirte das 
Tagewerk der zahlreichen Gehilfen, deren Häuser im Zaun ihres 
Herrenhofes standen oder seitwärts an der Fulda zu einem großen 
Dorf vereinigt waren. Doch nicht allein über Landarbeit, sondern 
über alles, was Handwerk und Kunstfertigkeit zu schaffen ver¬ 
mochte, walteten als Meister die Genossen, welche sich dem Christen- 
9
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.