Contents: Geschichtliches Lesebuch

38 III. v. Treitschke, Burschenschaft und Wartburgfest. 
beständige Krieg gegen die akademischen Gesetze, worin die Lands¬ 
mannschaften ihren Ruhm gesucht hatten, jetzt Plötzlich aufhörte; und 
wie viel edler ward der ganze Ton des akademischen Lebens, seit die 
Gesänge Arndts und Schenkendorfs auf den Kommersen erklangen 
und eine ganze Schar junger Poeten, der Holsteiner Binzer voran, 
immer neue kräftige Burschenlieder aufbrachte. Fast alle die ernsten 
Lieder, welche der deutsche Student heute zu singen pflegt, sind erst 
damals aufgekommen; auch das Weihelied der Studenten, der Landes¬ 
vater, erhielt erst jetzt durch eine glückliche Umarbeitung seinen schönen 
vaterländischen Sinn. Die christliche Frömmigkeit, die sich aller¬ 
dings oft prahlerisch zur Schau stellte, war bei beit meisten echt 
und innig; mancher der jungen Träumer erschien wie verklärt durch 
die fromme Freude über alle die Wunder, welche Gott an diesem 
Volke gethan 
Bereits im Sommer 1814 hatte sich in Jena eine Wehrschaft 
gebildet, die ihre Leute durch ritterliche Übungen für den vaterländi¬ 
schen Waffendienst vorbereitete. Im folgenden Frühjahr traten dann 
die Mitglieder von zwei Landsmannschaften, die des schalen alten 
Treibens müde waren, mit einigen Wildert zusammen, und am 12. 
Juni 1815 ward die neue Burschenschaft, nach altem Jenenser Branch, 
durch einen feierlichen Aufzug über den Marktplatz eröffnet. An der 
-Spitze standen zwei Theologen aus Mecklenburg, Horn und Riemauu, 
und ein begeisterter Schüler von Fries, Scheidler ans Gotha, durch¬ 
weg stattliche, brave junge Männer, die sich im Kriege tapfer ge¬ 
schlagen hatten. Der erste Sprecher, Karl Horn, der späterhin als 
Lehrer Fritz Reuters weitereu Kreisen bekannt wurde, blieb bis ins 
hohe Alter dem Enthusiasmus seiner Jugend treu und starb in dem 
frommen Glaubeu, daß er mit der Stiftung der Burschenschaft „ein 
Werk des Herrn" gethan habe. Die neue Verbindung brach sofort 
mit allen Unsitten des Pennalismus und wurde nach rein demokrati¬ 
schen Grundsätzen durch einen freigewählten Ausschuß und Vorstand 
regiert; ihr Ehrengericht brachte die Duelle auf eine bescheidene Zahl 
herab und wachte streng über ehrenhafte Sitte. 
Schon ein Jahr nach der Stiftung hatten sich alle anderen Ver¬ 
bindungen in Jena aufgelöst, und die Burschenschaft erschien nunmehr 
wirklich, wie sie es wollte, als ein Bund der gesamten christlich¬ 
deutschen Studentenschaft. In diesen ersten Tagen herrschte noch 
durchaus der gute Ton einer warmen vaterländischen Begeisterung. 
Welch ein Abstand gegen die Roheit früherer Tage, wenn die
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.