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1. Walthari und Hildgund.
Ross mit den Goldschreinen. Aber kaum waren sie tausend
Schritte weit, so sah die angstvoll zurückblickende Jungfrau
zwei Männer in vollem Lauf einen Abhang herabsprengen.
Walthari erkannte die Verfolger sofort, hiess die Jungfrau
sich mit dem Schatzrosse im Walde verbergen und wartete
unten am Wege. Mit höhnenden Worten rannte ihn Gunthari
an; aber Walthari wandte sich zu Hagano. „Von dir hoffte
ich, du werdest mir auf meiner Flucht grüssend entgegen
gehn, mich gastlich pflegen und friedlich in meines Vaters
Reich geleiten. Wenn nur Hagano noch lebt, dachte ich, so
fürchte ich keinen der Franken. Bei unsern Knabenspielen
beschwöre ich dich — vergassen wir doch einst über unser
Zusammenleben Vater und Vaterland, — lass ab vom Kampf!
Dann wirst du in Ehren hinweggehen, und ich fülle dir den
Schild mit rotem Golde.“ Aber finster blickend entgegnete
Hagano: „Erst übst du Gewalt, dann wirst du beredt. Du
hast die Treue gebrochen. Sahst du mich nicht zugegen
und erschlugst mir doch die Gefährten und Blutsfreunde?
Nichts will ich von deinem Schatze; aber das Leben meines
Neffen fordere ich von dir.“ — Alle drei sprangen von den
Rossen, und Hagano begann den Kampf mit mächtigem Speer¬
wurf. Der König wäre rasch erlegen, wenn ihm nicht Ha¬
gano geholfen hätte. Bald zu zweien, bald abwechselnd
stürmten sie gegen den Gewaltigen. Er wehrte sich wie ein
Bär, den die Hunde umbellen, aber aus Furcht vor seiner
erwürgenden Umarmung nicht zu fassen wagen. Vom Morgen
bis in den Mittag hinein währte der ungleiche Kampf im
Brande der Sonne. Walthari, der wohl merkte, dass sie ihn
listig zu ermüden trachteten, drängte zur Entscheidung; er
stiess dem König den Schild beiseite und trennte ihm mit
einem furchtbaren Schwerthieb den Schenkel von der Hüfte.
Zum zweiten Mal holte er aus, um dem vor seinen Füssen
liegenden den Todesstreich zu geben; aber Hagano drängte
sich dazwischen, und auf seinem harten Helm zersplitterte
Waltharis Schwert. Zornig schleuderte der Held auch den
Griff von sich; doch indem er hiebei die Rechte zu weit vor¬
streckte, schlug sie ihm Hagano ab. Da schob er, ohne eine
Miene zu verziehen, den verstümmelten Arm in das Schild-