Full text: Für das sechste und siebente Schuljahr (Teil 5, [Schülerband])

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Becker. 
drei schwarzen Steinen das Todesurteil über ihn ausge¬ 
sprochen. ] 
Das Urteil würde gleich am solgendeN Tage vollstreckt 
worden sein, wäre nicht zufällig gerade den Tag zuvor die 
heilige Prozession nach Delos abgegangen, während deren 
Abwesenheit keine Hinrichtung in Athen geschehen durfte. 
Noch hielten widrige Winde das Schiff diesmal länger als 
gewöhnlich auf, und dies verschaffte den Schülern des 
Sokrates das schmerzlich süße Vergnügen, ihren Lehrer noch 
dreißig Tage behalten zu können. Sie besuchten ihn wäh¬ 
rend dieser Zeit täglich im Gefängnisse. Dem Apollodoros, 
dessen Schmerz am ausgelassensten war, und der einmal 
verzweifelnd ausrief: „Nein, so unschuldig sterben zu 
müssen!" entgegnete er lächelnd: „Möchtest du etwa lieber, 
daß ich schuldig wäre?" 
Den Tag vor seinem Tode entdeckte ihm Kriton 
schüchtern, er habe eine Summe Geldes zusammengebracht, 
die Wächter zu bestechen, daß sie die nächste Nacht die 
Tür offen ließen. „O Kriton," antwortete ihm Sokrates, 
„in welches Land könnte ich wohl dem Tode entrinnen?" 
Kriton meinte, er sei es doch seinen Kindern schuldig, den 
Verfügungen einer ungerechten Justiz zuvor zu kommen: 
aber Sokrates bewies ihm, daß keine Ungerechtigkeit uns 
berechtigen könne, den Gesetzen des Vaterlandes ungehor¬ 
sam zu sein. Und jo verließ ihn denn am Abend weh¬ 
mütig die treue Schar, mit der Abrede, morgen früher 
als gewöhnlich wieder zu kommen. 
Sie fanden diesmal die Gerichtsdiencr bei ihm, welche 
seine Ketten löseten und ihm ankündigten, daß er vor 
Sonnenuntergang den Giftbecher trinken müsse. Auch seine 
Frau Xanthippe war da und trug das jüngste Kind auf 
ihren Armen. Ihres Wehklagens müde, ließ Sokrates sie 
durch den Kriton hinwegsühren. Dann setzte er sich auf 
ein Ruhebette, zog das Schienbein an sich und rieb sich 
die Stelle an demselben, wo die Kette ihn wund gedrückt 
hatte, wobei er ein Gespräch über die nahen Grenzen des
	        
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