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er sieht den König in der Entfernung durch das Gebüsch, läuft auf
ihn zu und spricht: „Herr König, der Herr von N. hat mich so
schlagen, daß mir alle Glieder wehe thun.“ „Das ist nicht recht,“
antwortete der hohe Herr; „ich habe das Prügeln verboten und ab—
geschafft. Subordination muß sein; aber ihr spielet ja nur! Warum
läßt du dir das gefallen, du bist ja stark und stämmig? Wenn du
einmal ein tüchtiger Landwehrmann werden willst, so mußt du kein
Feigling sein.“ Der Knabe läuft zurück, stellt sich wieder in Reih und
Glied, und als er nochmals geschlagen wird, wehrt er sich, und nun
kehrt sich die Sache um. Der König sagt aber zum Kadetten: „Merke
dir das fürs ganze Leben und mißhandle nie den gemeinen Mann.
Er ist so gut Mensch, wie wir Menschen sind.“
Rulemann Friedrich Eylert.
188. Simeliberg.
Es waren zwei Brüder, einer war reich, der andere war arm.
Der Reiche aber gab dem Armen nichts, und er mußte sich vom Korn—
handel kümmerlich ernähren; da ging es ihm oft so schlecht, daß
er für seine Frau und Kinder kein Brot hatte. Einmal fuhr er
mit seinem Karren durch den Wald, da erblickte er zur Seite einen
großen kahlen Verg, und weil er denselben noch nie gesehen hatte,
hielt r still und betrachtete ihn mit Verwunderung. Wie er so stand,
sah zwölf wilde große Männer daher kommen: weil er nun glaubte,
das wären Räuber, schob er seinen Karren ins Gebüsch, stieg auf
einen Baum und wartete, was da geschehen würde. Die zwölf Männer
gingen aber vor den Berg und riefen: „Berg Semsi, Berg Semsi,
thu d.ch auf“ Alsbald that sich der kahle Berg in der Mitte von—
einander, und vie zwölfe gingen hinein, und wie sie drin waren, schloß
er sich za. er eine kleine Weile aber that er sich wieder auf, und
die Männer uamen heraus und trugen schwere Säcke auf den Rücken;
und wie nae ade wieder am Tageslicht waren, sprachen sie: „Berg
Semsi — Temsi, thu dich zu.“ Da fuhr der Berg zusammen,
und war .ungang mehr an ihm zu sehen, und die zwölfe gingen
fort. Als „Iihm nun ganz aus den Augen waren, stieg der Arme
vom Baum herunter und war neugierig, was wohl im Berge Heim—
liches verborgen wäre. Also ging er davor und sprach: „Berg Semsi,
Berg Semsi, thu dich auf,“ und der Berg that sich auch vor ihm
auf. Da trat er hinein, und der ganze Berg war eine Höhle voll
Silber und Gold, und hinten lagen große Haufen Perlen und blitzende
In
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