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hielt alles, was die Frau Christine Köstliches und Wert¬ 
volles besaß, und sorgsam nahm sie sich in acht, daß keine 
Träne dazwischen falle. Sorgsam legte sie die bunten und 
weißen Tücher zurück, jede Falte sogleich wieder glättend; 
vorsichtig stellte sie die Schächtelchen mit alten, armseligen 
Spielereien, zerbrochenen wohlfeilen Schmucksachen, ver¬ 
einzelten Bernsteinperlen, Armbändern von farbigen Glas¬ 
perlen und dergleichen Schätzen der Armen und der Kinder 
zur Seite, — bis sie, fast auf dem Grunde des Koffers, zu 
dem kam, was sie in der Stille der Nacht suchte. Mit 
scheuer Hand holte sie erst ein Kästchen mit einem Glas¬ 
deckel hervor; ihr Haupt senkte sich tiefer, als sie es öff¬ 
nete. Es enthielt das Liederbuch des Meisters Anton und 
auf demselben lag ein vertrockneter Myrtenkranz. Wie ferne 
Glocken, wie Orgelklang durchzitterte es die Nacht und die 
Seele der knienden Frau. Sie faltete über dem offenen 
Kästchen die Hände und leise bewegten sich ihre Lippen. 
Es fiel ihr zwar weiter kein Gebet ein als das Vaterunser; 
aber es genügte. 
Ein zweites Kästchen stand neben dem ersten, ein altes 
Ding von Eichenholz, eisenbeschlagen, mit festem Schloß, 
eine künstliche Arbeit aus dem siebenzehnten Jahrhundert, 
welche schon seit vielen Geschlechtern im Besitze der Un- 
wirrsche gewesen war. Diesen Kasten trug die Frau Chri¬ 
stine zum Tisch, und ehe sie ihn öffnete, legte sie erst in 
der Lade alles wieder sorgsam an seinen Platz; sie liebte 
die Ordnung in allen Stücken und übereilte selbst auch 
jetzt nichts. 
Hellen Glanz gaben die kleine Lampe und die schwe¬ 
bende Glaskugel, aber das altersschwarze Kästchen auf dem 
Tische überstrahlte sie doch; sein Inhalt sprach lauter von 
der Köstlichkeit der Elternliebe, als wenn ihr Preis unter 
dem Schall von tausend Trompeten auf allen Märkten der 
Welt verkündet worden wäre. Das Schloß sprang auf und 
der Deckel schlug zurück: Geld enthielt der Kasten! — viel, 
viel Geld — silberne Münzen von aller Art und sogar ein 
Goldstück eingewickelt in Seidenpapier. Reiche Leute hätten
	        
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