Full text: [Oberstufe, [Schülerband]] (Oberstufe, [Schülerband])

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Frau war am Brunnen damit beschäftigt, eine kupferne Pfanne zu 
scheuern. 
Um dieselbe Zeit ging Michel, der früher einmal bei dem Bauer 
im Dienste gewesen war und daher noch alle Kammern und Räume 
auf dem Gehöft kannte, vorüber. Als er gehört hatte, was der Bauer 
zu seiner Frau sprach, d er bei sich? „Die Gelegenheit will ich 
benutzen,“ und ging seiner Wege. In der Nacht aber schlich sich Wichel 
in das Gehöft. Der Hofhund schwieg; denn er kannte ihn noch. Durch 
ein kleines Fenster über der Stallthür n Michel zu der Kammer 
in welcher die Betten des Bauers und der Bäuerin standen. In dieser 
Schlafkammer befand sich, wie er wußte, ein kleiner Wandschrank, der 
immer bares Geld und auch mancherlei andere wertvolle Sachen von 
Silber und Gold enthielt. 
Er hatte ein Werkzeug mitgebracht, um die Kammerthür zu erbrechen 
diese war aber zu seiner Verwunderung nicht einmal fest verschlossen 
Er öffnete sie und schlich ganz leise in das Zimmer hinein. Nun 
machte er auch die Deckel seiner Blendlaterne völlig auf und leuchtete 
ein wenig herum im Zimmer. Alles war still, mäuschenstill. 
Die Vorhänge der großen Himmelbettstätten, welche der Thür 
gegenüber weil hinten an der Wand standen, waren zu wie immer 
uch der Wandschrank war, wie Michel sah, noch an seiner alten Stelle. 
Die Laterne hatte er nebenan auf den Tisch gestellt. Er öffnete 
den Kasten vermittelst eines kleinen Hakens, den er in das Schloß 
steckte, und nun leuchtete er hinein und sah sich die an, die 
darin lagen. Da war noch Silberzeug, das vom Vater und Großvater 
her in den Besitz des Bauers gekommen war; schwere silberne Löffel 
lagen da und Messer mit silbernen Griffen, und auch Ketten und eine 
silberne Schnupfdose. Michel wußte kaum, was er von diesen Gegen— 
stünden zuerst nehmen sollte. Er steckte ein paar Löffel ein, dann nahm 
er die Dose, ein schweres, wertvolles Stück, welches nur in Gebrauch 
kam, wenn der Bauer in die Gemeinesitzung ging. Michel öffnete die 
Dose; sie war inwendig vergoldet und mit Tabak gefüllt. 
Da kam dem Michel die Lust an, sich vor allen Dingen eine Prise 
aus der silbernen Dose zu nehmen; aus einer solchen hatte er noch 
nie geschnupft. Der Tabak waͤr alt und trocken; kaum hatte er ihn 
in seine Nase gebracht, so verspürte er in dieser ein ganz gewaltiges 
Kitzeln; er rieh sie mit der Faust und rieb sie recht tüchtig; das arge 
Gekitzel aber hörte nicht auf. Er wollte das Niesen, welches ihn an— 
kam, unterdrücken und steckte schnell noch einige Sachen ein. Da — 
es war, als wenn ein Schuß losginge — plätzte däs langverhaltene 
Niesen heraus. 
Michel stand wie versteinert da; denn „Helf' Gott!“ hatte eine 
Stimme ganz laut gesagt. Diese Stimme war von dem Innern des 
Zimmers her, dort aus der Gegend gekommen, wo die Betten standen. 
Welche Stimme konnte das sein? — Michel hatte ja doch mit eigenen 
Augen den Bauer und die Bäuerin mittags in die Stadt fahren 3 
Wer konnte jetzt hier in der leeren Kammer ihm ein „Helf Gott!“ 
auf sein Niesen gewünscht haben? — Dem Michel stiegen die Haare
	        
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