187
Hartmut zum Gemahl nähme, sie hasse ihn und seine ganze feige Sippe.
Da ergrimmte Ludwig; er erfaßte die Jungfrau an ihrem langen blonden
Haar und schleuderte sie mit starker Faust weithin ins Meer. Sogleich
sprang jedoch Hartmut ihr nach und rettete sie in seine Barke. Gudruns
Herz aber konnte er dadurch nicht gewinnen.
Als sie nun in Normandie das Land betraten, kamen ihnen er¬
wartungsvoll Hartmuts Mutter, die böse Gerlinde, und seine liebliche
Schwester Ortrun entgegen. Die letztere küßte die heimatlose Gudrun
und zeigte durch Thränen ihr tiefes Mitgefühl, so daß sich vom ersten
Augenblick an eine innige Freundschaft zwischen den beiden Jungfrauen
entspann. Als nun aber auch die arglistige lauernde Gerlinde herantrat,
um Gudrun zu begrüßen, stieß diese sie heftig zurück; denn in ihr sah
sie die Hauptanstifterin ihres Unglücks, und in ihrem Blicke fühlte sie
eine böse Seele. Von da an warf das arge Weib einen tödtlichen Haß
auf die arme Jungfrau, und sie dachte mehr darauf, dieselbe zu quälen,
als sie der Heirat mit ihrem Sohne geneigt zu machen.
5. Wie Gudrun als Magd gehalten ward.
Hartmut erneuerte allerdings wieder seine Bewerbungen um Gudrun;
da sie dieselben aber entschieden zurückwies, so empfahl er sie der liebe¬
vollen Fürsorge seiner Mutter und zog für eine Reihe von Jahren auf
Abenteuer aus. Gerlinde aber begann nun, Gudrun nach ihrer Weise
zu erziehen: sie hielt sie kärglich und strenge und zwang ihre Gefähr¬
tinnen, die niedrigsten Mägdedienste zu verrichten. Unter den mit der
Königstochter geraubten Jungfrauen befand sich eine, namens Hergart,
die schönste und vornehmste nächst ihr selber. Diese mußte Wasser tragen
und im Winter die Öfen heizen, aber bald lvard dadurch ihr Muth
gebrochen, und sie beugte sich den Unterdrückern und ward ihrer Gebie¬
terin untreu. Desto fester hielten die andern Frauen zu ihrer Herrin,
und besonders war die treue Hildburg eine feste und sichere Stütze für
Gudrun. Diese selbst trug ihr bitteres Loos ohne Klage, aber keinen
Augenblick wankte sie in der Treue gegen den ihr verlobten Herwig:
ob auch Monde aus Monde und Jahre auf Jahre während ihrer Er¬
niedrigung dahin schwanden, so ließ sie doch die Hoffnung auf ihre
endliche Befreiung nicht fahren, und gegen ihre Peiniger blieb sie kalt
und fremd, wie sie es von Anfang an gewesen war. Nur gegen die
Freundlichkeit der lieblichen Ortrun, der freilich nur selten gestattet war,
sich ihr zu nahen, fühlte und zeigte sie warme Dankbarkeit.
Im siebenten Jahre kehrte endlich Hartmut aus der Fremde zu¬
rück; er hoffte Gudrun jetzt zur Vermählung willig zu finden, aber ihre
Treue war unwandelbar. Seiner Mutter machte er schwere Vorwürfe
über ihre Härte gegen die Jungfrau; jene versprach, sie wolle hinfort
es anders machen, aber kaum hatte Hartmut sich abermals auf See-