Full text: Mittelstufe: Zweiter Cursus (Theil 4, [Schülerband])

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jener Zeit erzählen könnte, wir würden uns gewiß vor den Greuelthaten 
entsetzen, die er erlebt hat. Aber er verschweigt sein schauderhaftes 
Zeugnis, damit die Wanderer, die ihn jetzt fröhlich ersteigen und von 
ihm herab in die herrlichen Thäler schauen, sich nicht mit Grausen von 
seinen Felsblöcken abwenden mögen, die einst vom Blute der Menschen¬ 
opfer rauchten. 
Im Jahre 738 kam es hierauf bei Detmold zur Schlacht, in 
welcher Karl gezwungen ward, sich bis nach Paderborn zurückzuziehen. 
In einem zweiten Treffen an der Hase im Osnabrückischen blieb er zwar 
Sieger; dennoch aber stillte sich die Empörung nicht, obgleich in beiden 
Schlachten gegen 80000 Sachsen gefallen waren. 
Da sah Karl endlich ein, daß er andere Waffen gebrauchen müsse 
als das Schwert, und ließ deshalb die beiden furchtbarsten Anführer 
der Sachsen, Wittekind und Alboin, zu verschiedenen Malen freundlich 
zu sich entbieten. 
Wäre dies früher geschehen, dann würden sie ohne Zögern und 
mit Vertrauen erschienen sein; aber jetzt verabscheuten sie den grausamen 
Zerstörer ihrer Ruhe, und nur stolze, abschlägliche Antworten waren der 
Erfolg seiner Sendungen. 
Endlich empfand auch Wittekinds unbeugsames Herz gar schmerzlich 
die Noth seines Volkes und begann an der Macht seiner Götter zu ver¬ 
zweifeln, die den Kampf für sie nicht mit Siegen krönen wollten, ob 
sie gleich mit Menschenopfern übersättigt worden waren. Eine geheime, 
unwiderstehliche Gewalt zog ihn fort, den furchtbaren Karl auch außer 
der Schlacht zu sehen, und ob er dessen Einladung gleich öffentlich mit 
Verachtung zurückgewiesen, so beschloß er doch nebst seinem Freunde 
Alboin, sich, in Bettlerkleidung gehüllt, unerkannt in Karls Nähe zu 
begeben. Sie verließen im geheimen das Heer der Sachsen, traten ihre 
Wanderung an und erreichten gerade an einem Festtage die Stadt, in 
welcher Karl sein Hoflager hielt. Ein großes, erhabenes Gebäude, das 
sie für die Wohnung des Frankenkönigs hielten, zog ihre Blicke auf 
sich, und da sie die Pforten desselben weit geöffnet und viele Menschen 
hineingehen sahen, zögerten auch sie nicht und folgten. Aber sie traten 
nicht in das Haus des Königs, sondern in das Haus Gottes, in die 
Kirche, und erblickten hier den gewaltigen Karl, den sie sonst nur in der 
Kampfeswuth mit dem rauchenden Schwert in der Hand gesehen, in tiefer 
Andacht und Demuth und in einfach schmuckloser Kleidung mit vielen 
fränkischen Edlen vor dem Altare kniend, wo eben das Abendmahl aus¬ 
getheilt wurde. Da ahnten sie bald, wo sie waren; doch hier stand kein 
blutiger Opferaltar, hier tönte nicht das Todesächzen unglücklicher 
Schlachtopfer, nicht das Beschwörungsgeschrei wüthender Priester; jede 
Leidenschaft schien daheim geblieben und der heilige Frieden unzerstörbar, 
der hier in seiner Wohnung alle umfing. Wittekind und Alboin wurden
	        
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