Full text: [Teil 1, [Schülerband]] (Teil 1, [Schülerband])

Die Stadt Berlin. 
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Friedrich der Eiserne, benutzte innere Streitigkeiten, um die Städte 
wieder zu trennen und in Kölln eine Burg zu erbauen, an deren 
Stelle später Joachim II. ein Schloß aufführte. Hier schlugen die 
Fürsten in der Regel ihr Hoflager auf. Aber auch als Residenz 
blieb Berlin-Kölln lange unbedeutend, bis der Große Kurfürst, der 
Schöpfer des brandenburgisch-preußischen Staates, zugleich die Größe 
der Hauptstadt begründete. Während des Dreißigjährigen Krieges 
war die Einwohnerzahl bis auf 6000 zusammengeschmolzen; — sie 
wuchs bis 1688 auf 20000 an; dabei wurde die Stadt über die 
Festungswälle hinaus nach der Seite des heutigen Tiergartens er¬ 
weitert, wurden die ersten Bäume in der Straße „Unter den Linden“ 
gepflanzt und rechts davon Häuserreihen gebaut, die ein neues Viertel, 
die nach der zweiten Gemahlin des Herrschers benannte Dorotheen¬ 
stadt, bildeten. 
B. 
Trotz der ausgezeichneten Sorge des Kurfürsten Friedrich Wilhelm 
um seine Residenz bot diese doch noch immer ein Bild, das mit dem des 
heutigen Berlin nicht verglichen werden darf. Erst wenige Jahre vor 
seinem Tode hatte man den Anfang mit der Straßenerleuchtung ge¬ 
macht. Bis dahin mußten immer drei Nachbarn je eine Laterne mit 
einem brennenden Licht nach der Straße zu aushängen, sodaß die 
Laterne jeden dritten Tag an den ersten zurückkam. Da diese Ein¬ 
richtung nach mehreren Jahren als nicht ausreichend befunden wurde, 
begann man die Laternen auf hölzerne Pfähle zu setzen. Die Straßen 
waren noch nicht durchgängig gepflastert; Stroh- und Schindeldächer, 
hölzerne und Lehmschornsteine — trotz aller Feuersgefahr, Stakete 
vor den Häusern, wie sie sich in Dörfern finden, gab es noch die 
Menge. Mit der Reinlichkeit sah es auch noch trübe genug aus; im 
Jahre 1700 mußte die Befolgung einer aus der Zeit des Großen Kur¬ 
fürsten stammenden Verordnung aufs neue streng anbefohlen werden, 
wonach jeder Hauswirt vor seinem Hause zweimal wöchentlich kehren 
lassen sollte. Das aber tat damals recht sehr not. Die Stadt hatte 
hier und dort einen fast ländlichen Anstrich; denn — was uns un¬ 
glaublich scheint — ganze Herden von Schweinen liefen auf den 
Straßen herum, besonders „Unter den Linden“ und in der Dorotheen¬ 
stadt. Wir würden uns jetzt über solche sauberen Spaziergänger 
nicht wenig wundem; damals aber konnten wiederholte Befehle nicht 
durchsetzen, daß der mittelste Gang der Lindenallee gehörig ver¬ 
wahrt und gegen Verunreinigung geschützt war. 
Berlin hat also vorzeiten ein mehr gemütliches und zutrau¬ 
liches Gepräge gehabt, — aber nicht bloß der Schweine wegen. 
Vollbelaubte Bäume standen noch vor den Häusern, selbst in den 
engeren Straßen; Weinstöcke rankten sich um die Fenster bis ins 
zweite Geschoß. Jeder saß da unter seinem Wein und freute sich
	        
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