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Beschreibungen und Schilderungen.
freien Luft haben bisher Krankheit und Seuchen von diesem glück¬
lichen Stamme ferngehalten, sodaß sie an seinem Marke nicht zu
zehren vermochten. Ich glaube auch, daß der eigenartige durchlässige
Boden Samoas, der selbst die stärksten Regengüsse in kürzester Zeit auf¬
saugt und verschwinden läßt, sehr dazu beiträgt, die Gesundheit zu
fördern und das böse Fieber, die Malaria, fernzuhalten. Auch die kühlen
Seewinde, die diese Inseln fast beständig umwehen, üben durch ihre
Frische auf die Gesundheit der Einwohner einen günstigen Einfluß aus.
Es ist hiernach leicht zu begreifen, daß die wirtschaftliche und
in die Zukunft vorschauende Denkweise bei den Samoanern noch
nicht geweckt ist. Man kann aber nicht sagen, daß sie in ihrer
Weise unwirtschaftlich seien. Im Gegenteil, es machen Haus und
Hof bei ihnen überall einen wohlgepflegten und sehr geordneten Ein¬
druck; wohl aber ist ihnen jener Begriff des wirtschaftlichen Lebens
und der Arbeit fremd, der unserem Erwerbsleben zugrunde liegt.
Da sie niemals die Not kennen gelernt haben, so blieb ihnen auch
die Sorge fremd, ihr vorzubeugen, die Sorge um die Zukunft.
Was die Samoaner bis jetzt in der Kultur geleistet haben, ist
äußerst gering. Man hat ihnen auf geistigem und künstlerischem
Gebiet viel Gutes nachgesagt, hat ihre Redekunst, ihren Sinn für
feine und feierliche Umgangsformen geradezu bewundert, man rühmt
ihre Kunst im Korb- und Mattenflechten und wohl auch in Holz¬
schnitzerei und im geschickten Hausbau. Das ist aber auch ungefähr
alles, was sie im Laufe der Jahrhunderte und Jahrtausende aus sich
selbst erlernt haben. Besonders auffällig ist es, daß die Samoaner
sich noch nicht aus der Steinzeit zur Eisenzeit emporgearbeitet hatten,
als wir mit ihnen in Berührung traten. In ihrem Boden ist Eisen
reichlich vorhanden, und in Afrika werden weit eisen ärmere Erdarten
von den Naturvölkern eifrig verarbeitet. Sie aber kannten noch keine
Werkzeuge aus Metall.
Die Mission und der Verkehr mit den Weißen haben dann Hand¬
werker entstehen lassen, deren Geschick und Kunst jedoch noch recht
einfach zu nennen sind. Wenn ich alles, was die Samoaner leisten,
mit dem vergleiche, was die Neger an Kunst und Arbeit aufzuweisen
vermögen, so kann ich nicht umhin, die Samoaner doch hinter jene
zu stellen. Ich kenne manches Kamerundorf, in dem weit mehr Kunst
und Intelligenz sich zeigt, als die besten Samoadörfer aufweisen.
Gleichwohl ist der Samoaner in Verkehr und Umgang weit an¬
genehmer als der afrikanische Neger. Er ist edler, gutherziger und
bescheidener, auch ziemlich lernbegierig. Und das mahnt uns, es
ernstlich zu versuchen, ihn zum Christentum wie auch zur wirtschaft¬
lichen Mitarbeit zu bekehren.