fullscreen: Der moderne Geschichtsunterricht

Warum konnte sich in Deutschland keine Erbmonarchie entwickeln ? 7 j 
bäuerlichen und bürgerlichen Kreisen konnten wohl vom Patrimonial- 
herrn oder Grafen oder Vogt geführt werden; die nötige Zahl der 
Beisitzer oder Schöffen aus der Sphäre des Angeklagten oder der 
Streitsteile konnte der Gerichtsherr ziemlich leicht zusammenbringen. 
Wie aber, wenn ein Fürst, ein Bischof, ein Graf, ein Abt abgeurteilt 
werden sollte? Wo wollte man die nötige Zahl von ebenbürtigen 
Schöffen hernehmen? Dies war im allgemeinen nur am königlichen 
Hofe möglich, und so zwang auch dieser Umstand mit die Kaiser 
zum Wanderleben, da die meisten Prozesse naturgemäfs am That¬ 
ort oder wenigstens in der Nähe geführt werden mussten (wegen 
der Möglichkeit der Augenscheinaufnahme, des Beweisverfahrens 
u. dgl.). Dazu kam noch ein ganz persönliches Unglück der Kaiser¬ 
geschlechter, das mit geschichtlichen Ursachen gar nichts zu thun 
hat, aber sehr verhängnisvoll geworden ist: 
Die Kaisergeschlechter sind wiederholt ausgestorben. Da¬ 
durch bekamen die deutschen Fürsten stets wieder Gelegenheit, 
ihr Wahlrecht auszuüben; es konnte nicht einschlafen, wie in 
Frankreich. Natürlich benützten die Fürsten jedesmal diese schöne 
Gelegenheit, um weniger Mächtige auf den Thron zu setzen und 
sich in Wahlkapitulationen Herrscherrechte, Regalien u. dgl. ab¬ 
treten oder zusichern zu lassen. Sodann sterben energische Kaiser 
häufig sehr früh (Heinrich III., Heinrich VI.), oder es folgen 
unmündige Kinder auf sie — in der Regel fällt naturgemäfs beides 
zusammen. So geht unter Otto III. fast alles verloren, was OTTO I. 
gethan; ebenso fallen unter HEINRICHS IV. Minderjährigkeit alle 
Errungenschaften HEINRICHS III. zusammen. Ebenso mit dem Tode 
HEINRICHS VI. und dem darauf folgenden Thronstreit. Ein eigen¬ 
tümlicher Zufall ist es ferner, dass gerade beim Tode energischer 
Kaiser und der Thronfolge minderjähriger sehr energische Päpste 
entweder auf dem päpstlichen Stuhle sitzen oder auf denselben 
gelangen (Gregor VII. und der junge Heinrich IV., Innocenz III. 
beim Tode HEINRICHS VI. als Vormund FRIEDRICHS II. u. s. w.). 
So wurde die Errichtung einer Erbmonarchie immer wieder 
vereitelt, zum letztenmal auf dem Reichstage zu Würzburg [ 196, 
und zwar hier ausdrücklich. Mit und neben Heinrich VI. wurde 
sie endgültig begraben; denn als dann später die Habsburger 
eine kontinuierliche Thronfolge erzielten, war die deutsche Krone 
durch Gewohnheitsrecht längst Wahlkrone, überdies auch Schatten¬ 
krone, die nur durch eine bedeutende Hausmacht noch einigen 
Einfluss erhalten konnte.
	        
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