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und Gewalt wenig oder gar Nichts wissen wollten, endlich durch das
unteritalienische Reich der Normannen, entstanden aus den letzten lieber-
resten der griechisch-römischen Herrschaft, und auch als ein päpstliches
Leben endlich durch Heirat!) in die Hände der mächtigen Hobenstaufi-
schen Kaiser (1133—1254) gekommen, war ein immerwährender Stoff
zum Unfrieden zwischen Kaiser und Papst gegeben. In dem Hohenstaufen
Friedrich Barbarossa lag der kühne Gedanke, Thaten zu thun wie Karl
der Große, und die Hoheit des römischen Reichs in einer ihm selbst
nicht ganz klar gewordenen Ausdehnung herzustellen; und dennoch schei¬
terte sein fast 25jähriges Streben an der beharrlichen Festigkeit der
lombardischen Städte, besonders Mailands, und seines Gegners, Papst
Alexanders III., so daß durch den constanzer Frieden (1183) die An¬
sprüche des Reichs nur noch formell berücksichtigt, den Städten aber
eine völlige Freiheit zu Theil geworden ist. Ilm in Italien aber freiere
Hand zu haben, erlaubte er sich in des deutschen Reichs Verfassung ei¬
nen Schritt, der als ein Schritt zum Abgrund, dem dieses immer mehr
entgegen ging, angesehen werden darf. Durch die ganz ungewöhnlichen
Rechte und Freiheiten, mit denen er (ii5li) Oesterreich zum Herzog¬
thum erhob, indem er namentlich weder Lehenspflicht, außer eine höchst
unbedeutende, verlangte, noch Lehensrechte außer unwesentliche vorbe¬
hielt- riß er dieses wichtige Land eigentlich vom übrigen Reiche los,
bereitete den in der folgenden Zeit ganz besonders sichtbaren Uebermuth
der Fürsten dieses Hauses vor, und gab zugleich allen andern Fürsten
das sehr natürliche Verlangen ein, nach gleicher Auszeichnung zu stre¬
ben. Freilich würde er, der mächtige Kaiser, noch keinen Widerstand
geduldet haben, er, der den mächtigsten deutschen Fürsten, seinen Vet¬
ter, Heinrich den Löwen, Herzog in Bayern und Sachsen, zur Strafe
und zur Demütbigung seiner beiden Herzogthümer entsetzte (118O) und
sie, jenes an Wittelsbach, dieses an Anhalt, übertrug; wodurch der schon
seit 50 Jahren währende, kaum entschlummerte, Familienhaß der Wel¬
fen und Hohenstaufen (Gibellinen) sich aufs neue regte, bis er, wenig¬
stens in Deutschland, durch die Erhebung Braunschweigs (1235) zu ei¬
nem Herzogthum geschlichtet wurde, was ebenfalls nur durch eine we¬
sentliche Veränderung der alten Verfassung geschah, die sonst nur Her¬
zoge von Volksstämmen, nicht von großem Grundeigenthum gekannt
hatte. Endlich erreichte er zwar seinen Wunsch einer Familienherr¬
schaft in Italien, als sein Sohn Heinrich die Erbin des Normannen¬
reichs, Constanze, heirathete, aber mit welchem Untergang hat sein Ge¬
schlecht diese Erwerbung büßen müssen! Durch die würdige Persönlich¬
keit dieses Fürsten, durch den Glanz, der in Waffen und Minne, in
Schimpf und Ernst, damals Deutschland vor allen Ländern überstrahl¬
te, durch sein im vollen Siegeslauf, nicht durch Feindesmacht, sondern
gleichsam ein feindliches Geschick herbeigeführte Ende, das ihm versagte,
zu dem irdischen Sicgespreise auch die Palme als Kämpfer für Christi