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K. Klein, Der Sergeant in der Bauernstube.
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(18.) 1. Der Sergeant in der Rauernslube.
K. Klein (Th. Gümpel, Erinnerungen eines freiwilligen Krankenpflegers vom
Kriegsschauplatze 1870).
Nach der Schlacht bei Wörth drangen die siegreichen, von der Hitze
des Kampfes aufs höchste aufgeregten, von Hunger und Durst gequälten
deutschen Soldaten in die Häuser des Dorfes Fröschweiler ein, um nach
Nahrungsmitteln zu suchen. Da kommt auch ein Sergeant mit seiner
Mannschaft in solch ein Bauernhaus. Das Gebäude ist wie ausge—
storben, und alle Stuben sind leer. Der Kriegsmann stößt mit dem
Gewehrkolben auf den Boden und ruft: „Holla! wo seid ihr, Leute?“
Keine Antwort. Er geht gegen den Alkoven, zieht den Vorhang weg:
da sitzt ein altes Mülterlein, in Tränen gebadet, und hält ein kleines
Kind auf ihrem Schoße. Wie das Kind die fremden, bärtigen Ge—
stalten erblickt, fängt es laut an zu schreien und drückt sich fest in Groß—
mutters Arme. Dem Sergeanten wird es wundersam ums Herz; er
wäre lieber seiner harten Kriegspflicht überhoben, aber er muß es tun,
er kann nicht anders. „Wo ist der Bauer? Ich muß Brot und Wein
haben, gleich! geschwind oder —“ und macht ein Gesicht wie ein leib—
haftiger Wallensteiner. Da schaut das Mütterlein empor, blickt dem
fremden Kriegsmann wehmütig fragend ins Auge und sagt gar nichts.
Der sleht da, tief gerührt, vor dem ehrwürdigen Bilde, sein Herz schlägt
gewaltig. Dann sagt sie mit zitternder Stimme: „Lebt Eure Mutter
noch? und habt Ihr auch Geschwister?“ Jetzt rieseln dem Sergeanten
die Tränen über den strammen Schnurrbart herunter. Diese Frage
hat ihn plötzlich aus dem wüsten Kriegsgetümmel in die liebe Heimat,
in die goldene Jugendzeit zurückgetragen. „Ja, sagie er, „mein
Mütterchen lebt noch, und so ein Jüngelchen ist auch noch zu Hause.
Gebt ihn mal her, den Kleinen, ich tue ihm nichts zuleide.“ Nun
ninunt er das Kind auf seinen Arm, streichelt es freundlich übers
Koöpfchen und gibt ihm einen Kuß auf die Stirn. Dem alten Mütterlein
wird es auch ganz wundersam zu Mute; sie sieht, daß diese Preußen,
wie man dort kurzweg alle Deutschen nennt, auch Menschen sind, sie
steht auf, geht in die Küchenkammer und ruft: „Peter! Christine!
kommt heraus; sie tun euch nichts! kommt nur geschwind!“ Dem
Peter aber fährt es wie eine Engelsbotschaft durch alle Glieder; er
stößt den Boden weg, hinter welchem er sich ins Zwetschgenfaß versteckt
hat und kriecht heraus. Die Christine hat ihre Lebensgeisterlein auch
wiedergefunden; sie drückt den Deckel von der Mehlkiste empor, unter
welcher sie sich verkrochen hat, und krabbelt ans Tageslicht. Wie aus
der Hölle erlöft treten beide unter fröhlichem Herzklopfen in die Stube
Der Sergeant hat das Büblein noch auf dem Arme. „Ha, Bauer,
was bist du für ein Mordskerl und fürchtest dich vor deutschen Sol—
daten! Schau mich mal an und meine Soldaten da, sind wir denn