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Es ist ein anmutiges Einsiedlerleben auf jener Insel. Die winterliche
Abgeschlossenheit mitten im See rückt die Gemüter einander näher, und die
Abende schwinden im mitteilsamen Gespräch. Da rauscht der See in allen
Erzählungen an der Flamme des Herdes: gefährliche Fahrten über die stür¬
mische Flut, halsbrecherische Gänge über das Eis und wilde Geschichten von
Jägern und Bergsteigern werden erzählt. Worüber sollte man auch hier
sprechen auf der einsamen Insel?
Der Winter hatte noch einen Teil des Sees unter seinem Eise gefangen
gehalten, aber die vielen warmen Tage und die hochstehende Sonne des Aprils
hatten an der Oberfläche so viel zerbröckelt und zernagt, daß es nicht jeder¬
manns Sache war, Spaziergänge nach dem Ufer oder zur benachbarten Frauen¬
insel zu machen. Unsern fast ausschließlichen Verkehr mit dem Festlande
besorgte ein treuer Knecht, der alltäglich früh am Morgen, wenn der nächtliche
Frost das Eis wieder gekräftigt hatte, mit seiner blechernen Büchse hinüber
zur Post wanderte, um seines Herrn Aufträge zu besorgen. So war die Post
im Frühling geraume Zeit gegangen, bis der Knecht eines Tages das Eis
für „schiach" 1 erklärte. Jetzt blieb uns nichts anderes übrig, als eine Rinne
oder einen Bruch ins Eis zu schlagen, das heißt einen Kanal, der so breit
sein muß, daß sich ein Schiff 2 notdürftig hindurchzwängen kann. Das ist aber
eine Herkulesarbeit; ich behaupte, daß mir meine Arme und Schultern am
Abend nicht weher getan haben würden, wenn ich den erymanthischen Eber
gepackt und fortgeschleift hätte.
Das Brechen der Rinne-geschieht folgendermaßen. Vor dem Schiffe, das
man auf das Eis stellt, postieren sich zwei, drei Arbeiter und hauen mit Hacken
und Beilen viereckige Tafeln aus der Kruste. Ein dritter schiebt diese, sobald
sie losgebrochen sind, mittels einer langen Stange unter die Eisdecke. Diese
drei haben den weniger beschwerlichen Teil des Geschäftes. Andere stehen
im Schiff und halten etwas in der Hand, das am meisten Ähnlichkeit mit
einem Dreschflegel hat. Es ist dies ein handbreiter Prügel, der an seinem
oberen wulstigeren Ende nach rückwärts gekrümmt sein muß. Mit ihm wird
aus Leibeskräften auf das dicke Eis geschlagen. Es bedarf manchmal eines
Dutzend Hiebe, bis dieses bricht und die grüne Flut des Sees dem Arbeiter
aufgepeitscht ins Gesicht spritzt. Wie davon die Armmuskeln geprellt werden,
läßt sich denken. Ich für mein Teil habe mich an dem Geschäfte deshalb
beteiligt, weil mich der langandauernde Winter ärgerte und weil ich meinen
Zorn an seinem Erzeugnis, der Froftbrücke, auslasten wollte. Ich schlug
grausam darauf los, und schwere Schweißtropfen sielen auf die zerschmetterten
Trümmer; aber der Geschlagene war ich, nicht der grimmige Eiskönig.
Frei und munter kehrten wir zum längst bereitstehenden Abendessen
zurück. Draußen pfiffen die Amseln, die noch nicht erfroren waren, unter den
entblätterten Büschen; mir war es, als ob sie uns grüßten. Im Saale brannte
* Schief, häßlich, schlimm.
2 Auf unseren Alpsnseen bezeichnet man auch kleinere Kähne als Schiff.