Object: Bilder aus der sächsischen Geschichte

Robert Schumann (1810—1856). 123 
als je, meine gute Mutter, manchmal tollkühn unb vertrauend auf meine 
Kraft unb meinen Willen, manchmal bange, wenn ich an ben großen Weg 
benfe, den ich schon zurückgelegt haben könnte, unb ben ich noch zurück¬ 
legen muß. — Was Thibant1 anbelangt, so hat er mich längst schon zur 
Kunst hingewiesen; ein Brief von Dir an ihn würbe mir sehr lieb sein, 
unb auch Thibant würbe sich freuen; er ist aber schon seit einiger Zeit 
nach Rom gereift, sobaß ich ihn nicht wieber sprechen werbe. 
Bleib ich beim Jus (b. i. Rechtsstudium), so müßte ich unwiberruslich 
noch einen Winter hier bleiben, um bei Thibant bie Panbekten zu hören, 
bie jeber Jurist bei ihm hören muß. Bleib ich bei ber Musik, so muß 
ich ohne Wiberrebe von hier fort unb wieber nach Leipzig. Wieck2 in L., 
bem ich mich gern ganz anvertraue, ber mich kennt unb meine Kräfte zu 
beurteilen weiß, müßte mich baun weiterbilben; später müßte ich ein Jahr 
nach Wien, unb, wär es irgenb möglich, zu Mofcheles3 gehen. Eine Bitte 
nun, meine gute Mutter, bie Du mir vielleicht gern erfüllst. Schreibe 
Du selbst an Wieck in Leipzig, unb frage unumwunden: was er 
von mir unb meinem Lebensplan hält. Bitte um schnelle Antwort 
unb Entfcheibung, bamit ich meine Abreise von Heibelberg beschleunigen 
kann, so schwer mir ber Abschieb von hier werben wirb, wo ich so viele 
gute Menschen, herrliche Träume unb ein ganzes Parabies von Natur 
zurücklasse. Hast Du Lust, so schließe biefen Bries in ben an Wieck 
ein. Jedenfalls muß bie Frage bis Michaelis eutschieben werben, 
unb bann folls frisch unb kräftig unb ohne Thränen an bas vorgesteckte 
Lebensziel gehen. 
Daß biefer Brief ber wichtigste ist, ben ich je geschrieben habe unb 
schreiben werbe, siehst Du, unb eben beshalb erfülle meine Bitte nicht 
mtgent unb gieb bald Antwort. Zeit ist nicht zu verlieren. 
Lebe wohl, meine teure Mutter, unb bange nicht. Hier kann ber 
Himmel nur helfen, wenn ber Mensch hilft. 
Dein Dich innigst liebenber Sohn 
Robert Schumann." 
Durch ben Brief bes Sohnes würbe Schumanns Mutter in bie 
größte Verwirrung gesetzt, erhob aber, als die Entscheidung von Fr. Wieck, 
an ben sie sich bem Wunsche bes Sohnes gemäß wandte, günstig ausfiel, 
fortan keinen weiteren Widerspruch. 
1 Ausgezeichneter Lehrer und Professor des römischen Rechts in Heidelberg, 
wo er am 28. März 1840 starb. 
2 Friedrich Wieck, ein bedeutender Musiklehrer, nachmals der Schwiegervater 
von Robert Schumann, starb am 6. Oktober 1873 zu Loschwitz bei Dresden. 
3 Ignaz Moscheles, berühmter Komponist und Klaviervirtuos, damals in 
Wien, starb als Lehrer des Leipziger Konservatoriums am 10. März 1870 in Leipzig.
	        
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