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2. Die 6eicbichte des alten Molkes. von ©ottboid Cemn3.
Fabeln. Berlin 1759. 8. 92.
1.
böse Wolf war zu Jahren gekommen und faßte den gleisenden
Entschluß, mit den Schäfern auf einem gütlichen Fuße zu leben.
Er machte sich also auf und kam zu dem Schäfer, dessen Horden seiner
Höhle die nächsten waren.
„Schäfer," sprach er, „du nennst mich den blutgierigen Räuber, der
ich doch wirklich nicht bin. Freilich muß ich mich an deine Schafe halten,
wenn mich hungert; denn Hunger tut weh. Schütze mich nur vor dem
Hunger, mache mich nur satt, und du sollst mit mir recht wohl zufrieden
sein! Denn ich bin wirklich das zahmste, sanftmütigste Tier, wenn ich
satt bin."
„Wenn du satt bist? Das kann wohl sein!" versetzte der Schäfer.
„Aber wann bist du denn satt? Du und der Geiz werden es nie. Geh
deinen Weg!"
2.
Der abgewiesene Wolf kam zu einem zweiten Schäfer.
„Du weißt, Schäfer," war seine Anrede, „daß ich dir das Jahr
durch manches Schaf würgen könnte. Willst du mir überhaupt jedes Jahr
sechs Schafe geben, so bin ich zufrieden. Du kannst alsdann sicher schlafen
und die Hunde ohne Bedenken abschaffen."
„Sechs Schafe?" sprach der Schäfer. „Das ist ja eine ganze Herde!" —
„Nun, weil du es bist, so will ich mich mit fünfen begnügen," sagte
der Wolf.
„Du scherzest, — fünf Schafe! Mehr als fünf Schafe opfre ich
kaum im ganzen Jahre dem Pan."
„Auch nicht viere?" fragte der Wolf weiter, und der Schäfer schüttelte
spöttisch den Kopf.
„Drei? — Zwei?"
„Nicht ein einziges," fiel endlich der Bescheid; „denn es wäre ja
wohl töricht, wenn ich mich einem Feinde zinsbar machte, vor welchem
ich mich durch meine Wachsamkeit sichern kann."
3.
„Aller guten Dinge sind drei," dachte der Wolf und kam zu einem
dritten Schäfer.
„Es geht mir recht nahe," sprach er, „daß ich unter euch Schäfern
als das grausamste, gewissenloseste Tier verschrien bin. Dir, Montan,
will ich jetzt beweisen, wie unrecht man mir tut. Gib mir jährlich ein